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Die Sache mit dem Müllbewusstsein

Wer mit wachen Augen durch die Landschaft geht, wird Müll im ländlichen Portugal überall entdecken. Bauschutt und anderer Unrat liegen einfach in der nächsten Böschung. In einer halbverfallenen Ruine stehen noch Möbel und Habseligkeiten. Mitten auf der Wiese rostet eine alte Maschine vor sich hin. Über Müllbewusstsein in Portugal und unseren Umgang damit.

Südliche Müllmoderne

Zugewucherte Hinterlassenschaften sieht man im Hinterland des Alentejo immer wieder. Mal muten diese Ablagerungen ärmlich morbide, mal achtlos an. Da liegt ein Bauschutthaufen an der Straßenecke, dort türmt sich Weggeworfenes in einem Garten. Aus den kleinen Ackerflächen um die Häuser lugen Plastikfetzen, halb eingeackert. Auf der Terrasse eines aufgegebenen Cafés stehen noch halb zerfallene Tische. Die Brombeeren sind stets zur Stelle und breiten ihren dornigen Mantel des Vergessens darüber aus. Manches wirkt wie im Dornröschenschlaf erstarrt. So als ob es eben erst verlassen worden wäre und zugleich schon lange vergangen.

Auch auf Foz das Caveiras waren die ehemaligen Wohnbereiche und Wirtschaftsbereiche von diesem Schleier aus Weggeworfenem, Zurückgelassenem und Gestrüpp bedeckt. Im Herbst 2021 hat Bernhard mehrere Wochen damit zugebracht, Gebäude und Ruinen aus ihrem Brombeerschlaf zu holen und zu entmüllen. Rückblickend bleibt das weiter befremdlich. Warum vermüllt jemand seinen Lebensraum? In Portugal gibt es doch öffentliche Müllcontainer allerorten. Warum entsorgt man das nicht?

Entsorgung als Mission impossible

Das Müllbewusstsein ist in Portugal noch in den Kinderschuhen. So haben wir aus den Olivenpflanzungen tausende Kunststoff-Wuchshülsen geborgen. Diese stammen noch von der Anlage der Pflanzungen vor mindestens 15 Jahren. Normalerweise würde man sie nach wenigen Jahren entfernen. Inzwischen haben die Bäume die Hülsen gesprengt und deshalb sind sie nur mit großem Aufwand wiederverwendbar. Und was nun damit? Es gibt weder eine Müllannahmestelle noch ein Recyclingzentrum.

Nun kann man diese Hülsen notfalls nach und nach in die Müllcontainer packen. Echten Problemmüll wie asbesthaltige Platten kann man jedoch praktisch nicht entsorgen. Annahmestellen werden als Geheimtipp weitergegeben und sie gehören wiederum zum Nachbardistrikt. Es bedarf also auch noch der Überredungskunst, um dort anliefern zu können.

Rund um das Gewerbegelände haben wir über 25 m³ Betonreste eingesammelt. Doch selbst eine Bauschuttdeponie gibt es nicht. Andere Möglichkeiten der Aufbereitung ebenfalls nicht. Entsprechend gleicht unser Hof inzwischen einem Wertstoffhof. Tja, und so entwickeln auch wir eine gewisse Koexistenz mit dem Müll.

Altlasten

Ein Teil unseres Geländes war eine kleine Betonsteinfabrikation. Auf Gewerbearealen muss man natürlich immer mit »Überraschungen« rechnen. Selbst im sauberen Deutschland werden Produktionsabfälle vielfach einfach vergraben. Die Auskünfte von Makler und Vorbesitzer waren nur sehr allgemein. Es vor dem Kauf dabei zu belassen, war durchaus blauäugig. Betonsteine sind durchaus nicht nur Wasser, Zement und Kies. Dabei ist schon der Zement ein problematischer Werkstoff. Doch hätten wir über all das nur wenig erfahren können, stammt die Anlage doch vom vorletzten Besitzer.

Letztlich half uns einmal mehr, uns direkt in das Ordnen hinein zu begeben und mit wachen Sinnen dem leisen Raunen der Dinge zuzuhören. Freilich ist es eine Sisyphus-Arbeit, Betonbrocken vermischt mit Müll und Stacheldraht aus dem Boden zu ziehen oder unter den Brombeeren hervorzuholen. Natürlich haben wir uns Unterstützung geholt. Doch Maschinen können hier nur grobe Arbeit verrichten. Und zudem mussten wir den Baggerfahrer auch noch freundlich davon abhalten, den Müll nicht wieder einzugraben. So haben wir auch unsere Momente, in denen wir uns wie vom anderen Stern fühlen und manches lieber selbst erledigen.

Doch erleben wir recht deutlich, wie sich mit der Reinigung das Erleben des Geländes verändert. Sobald das Areal sorgfältig entmüllt ist, ist es wie ein Aufatmen der Natur. Eine lichtere Energie breitet sich aus. Ja natürlich, das ist alles nur unser Fühlen. Doch ohne Fühlen ist alles nichts!

So ganz nebenbei vervollständigt unsere Müll-Archäologie auch unser Verstehen des Geländes. So wissen wir nun, dass die Produktion denkbar einfach aufgebaut war. Da wurde tatsächlich nur mit Wasser, Zement und Kies hantiert. Das Ganze ist einige Jahre gelaufen, offenbar ohne den erhofften Erfolg. Am Ende blieb wohl so wenig, dass sogar am Zement gespart wurde. So lassen sich manche Betonreste mit der Hand zerbrechen. Abgesehen von weiteren Bauschuttnestern sind da keine Überraschungen zu befürchten.

Vom Müll zur Ressource

Mit dem geplanten Abbruch zweier großer Ruinen wird der Bauschutt noch um einiges mehr werden. Da stellt sich fast automatisch die Frage, ob das nicht genutzt werden kann. Und ja, wir würden das Material gerne zur Befestigung von Fahrwegen benutzen sowie anstelle von Frostschutz in den künftigen Fundamenten. Allerdings ist die Aufbereitung ungelöst. Mobile Brechanlagen gibt es hier nicht. Es bleibt also weiter herausfordernd Müllbewusstsein zu leben.

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