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Allergie und Apfel

Neue Chance mit alten Apfelsorten: endlich wieder in einen Apfel beißen, auch für Allergiker
– Kindheitserinnerungen an Omas Obstwiese –

von Eva-Maria Engl und Bernhard Bühr, 31.10.2018, aktualisiert 18.03.2019

Bist Du auch schon vor dem Obstregal im Supermarkt oder im Bio-Laden gestanden vor den immer gleichen vier oder fünf Apfelsorten und hast diese Geschmackslangeweile erlebt? Gehörst Du vielleicht sogar zu den Menschen, die auf diese Einheitsäpfel allergisch oder unverträglich reagieren und sich schon lange nicht mehr trauen, in einen frischen Apfel zu beißen?
Dann lass Dir erzählen, was wir in diesem Herbst mit seiner überreichen Obstfülle erlebt haben.

Der Duft der Kindheit

Auch auf Bernhards Streuobstwiese im Bayerischen Wald, wo er seit vielen Jahren alte Apfelsorten kultiviert, hingen die Bäume schon im September voll mit wunderbaren reifen Äpfeln. Danziger Kantäpfel, Berner Rosenäpfel, Kaiser Wilhelm, Korbiniansäpfel, Öhringer Winterramboure und Eiseräpfel leuchteten aus dem Blättermeer. Erst gab es eine Ernte mit der Familie und dann kam Eva auf die Idee, auch ihre Münchner Nachbarn am Apfelsegen teilhaben zu lassen. Auf ein Inserat im Nachbarschaftsportal gab es eine unerwartet rege Resonanz. Einfach herzlich und sehr positiv! Und so duftete es alsbald in Eva’s Hausflur nach reifen Äpfeln.

Beim Abholen ihrer Äpfel erinnerten sich die Leute beim Duft an ihre Kindheit, als sie noch mit Eltern und Großeltern Äpfel ernteten, diese eingelagert wurden und schließlich zu Kuchen, Mus oder Kompott verarbeitet wurden. Und nicht wenige berichteten uns, dass sie ja damals noch Äpfel essen konnten, ohne davon Beschwerden zu bekommen. Nun, sie haben es mit unseren alten Sorten wieder ausprobiert … und konnten die Äpfel fast ohne Nachwehen genießen! Was kann dabei eine Rolle spielen?

Rote Eiseräpfel auf Bernhards Obstwiese

Allergie und Apfel – eine Frage der Gene

Alte Apfelsorten haben generell eine jeweils sehr eigene Genetik und unterscheiden sich dadurch auch in Bezug auf Allergene deutlich. Hingegen tragen fast alle modernen Apfelsorten Gene von Golden Delicious und Ingrid Marie in sich, wodurch sie auch deren typische Apfelallergene enthalten. Während moderne Apfelsorten also genetisch sehr eng verwandt sind, sind alte Apfelsorten Zufallssämlinge, die weiterkultiviert wurden. Durch ihre unterschiedliche Herkunft haben sie auch eine ebenso unterschiedliche Genetik. So wurde z. B. der Berner Rosenapfel 1870 bei Bern gefunden. Der Rote Eiserapfel ist bereits seit dem Mittelalter bekannt, also lange, bevor es Golden Delicious gab.

Biogene Amine

Ein weiterer Grund für die Unbekömmlichkeit dürfte die Belastung mit biogenen Aminen bei unreif geernteten, weit transportierten und lange im Klimalager gelagerten Äpfeln sein, wie sie meist in den Supermärkten angeboten werden.
Nun, unsere Äpfel durften am Baum reifen und konnten frisch verzehrt werden. Auch nach ein paar Wochen Lagerung im Keller sind uns noch keine Beschwerden zu Ohren gekommen. Freilich reichern auch im Keller gelagerte Äpfel im Laufe des Winters biogene Amine an. Dadurch nimmt die Bekömmlichkeit für Histaminempfindliche ab.

Apfel-Polyphenole wirken antiallergisch

Eine Nachbarin brachte uns eine Reportage über alte Apfelsorten aus der Zeitschrift Chrismon 10/2018 mit dem bezeichnenden Titel „Finden sie den Herbstprinzen? – im Supermarkt bestimmt nicht!“ Darin fand sich ein interessanter Hinweis auf eine Beobachtungsstudie mit Allergikern an der Berliner Charité unter Prof. Karl-Christian Bergmann: 100 Leute aßen drei Monate lang täglich eine alte Apfelsorte. Zwei Drittel von ihnen vertrug nach einem Vierteljahr sogar wieder einen Golden Delicious, der Allergikern oft besonders zusetzt. Der Standardprovokateur bei der Apfelallergie ist ein Protein, das dem Allergen Bet v 1 in Birkenpollen ähnelt. Die Hypothese am Berliner Allergiezentrum war nun, dass alte Apfelsorten auch das Gegenmittel in sich tragen – die Polyphenole. Das sind aber nun genau die Stoffe, die Äpfel an der Luft braun werden lassen, warum sie aus den modernen Sorten weitgehend herausgezüchtet wurden.

Eine Bestätigung für diese Hypothese kam auf überraschende Weise ebenfalls aus der Nachbarschaft: Ein Mann, der auch nicht unbesehen in einen Apfel beißen kann ohne eine allergische Reaktion befürchten zu müssen, hat für sich eine persönliche »Diagnosemethode« entwickelt. Er schneidet einen Apfel an und beobachtet, ob er nach einiger Zeit an den Schnittstellen deutlich braun wird. Ist dies der Fall, dann weiß er, dass der Apfel für ihn auch verträglich ist.
Trotzdem ist bei einer ausgeprägten Apfelallergie Vorsicht angebracht! Also bei Versuchen immer auch die bewährten Gegenmittel in Reichweite haben, sich ärztlich beraten lassen und die Sache langsam angehen. Prof. Bergmann empfiehlt: erstmal den Apfel aufschneiden, an die Lippe halten, wenn die nach einer Minute nicht anschwillt, dann ein kleines Stück probieren und 15 Minuten abwarten und wenn alles gut geht, erst allmählich mehr essen.

Am Versuchszentrum Laimburg (Tirol) untersucht man umgekehrt, ob ein Apfel am Tag nicht auch die häufig vergesellschaftete Birkenpollenallergie vertreiben könnte. Erste Ergebnisse wurden in einem Poster vorgestellt und lassen hoffen, dass tatsächlich mit dem regelmäßigen Genuss kleiner Mengen niedrigallergener Sorten die allergischen Reaktionen sowohl auf Äpfel als auch Birkenpollen reduziert werden können.

Alte Apfelsorten und Genuss

Von unseren Apfelverkostern kamen auch Kommentare wie: »Diese Äpfel schmecken endlich nach etwas, sie haben Charakter!« Und wie kommt das? Hochstammapfelbäume graben ihre Wurzeln viel tiefer in die Erde um Halt und Nahrung zu finden als die kleinen komfortabel zu erntenden Plantagenapfelbäumchen. Auf diese Weise nehmen sie auch viel mehr Mineralien auf, um damit ihr charakteristisches Aroma anzureichern. Dieselbe Apfelsorte schmeckt deshalb von einem Hochstamm intensiver als von einem Plantagenbusch. Dafür muss man beim Ernten ganz schön hoch klettern, um an die besten sonnengereiften Äpfel zu kommen … und statt Pestizideinsatz ist Grünpflege angesagt. Eine Obstwiese ist also auch ein Fitnessprogramm mit Sinnhaftigkeit.

Kaiser Wilhelm Äpfel auf Bernhards Obstwiese

Mit diesem Beitrag möchten wir Euch ermutigen, Euch auf die Suche zu machen nach alten Apfelalternativen – vielleicht macht Ihr dabei ganz wunderbare Entdeckungen von Kindheitserinnerungen bis zu neuen und bekömmlichen Geschmackserlebnissen!

Apropos: Kinder und Äpfel

An Halloween klingelten ganze Horden von Kindergeistern und Hexen bei Eva mit dem üblichen Spruch „Süßes oder Saures!“ Sie hat gewagt, ihnen neben Bonbons auch ein paar schöne rote und gelbe Äpfel von Bernhards Obstwiese anzubieten. Die Geister reagierten überrascht und teilweise richtig erfreut und bedienten sich rege – war wohl auch für sie mal was Neues nach all den klebrigen Süßigkeiten.

 

Werde Teil unseres Obstwiesen-Projekts

… Eine Obstwiese bietet weit mehr als nur Äpfel. Sie versorgt uns das ganze Jahr über mit Blüten, wilden Früchten und Kräutern. Bärlauch, Holunderblüten, Kirschen, Kornelkirschen, Quendel, Wiesenkerbel, Brennnessel und und und … Auch die Quitten und Mispeln für unseren Quitten-Mispel-Wein und Obstessig sind hier gewachsen. … Du kannst Teil davon werden!

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