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Vom Mato zum Obstgarten – unser Weg mit Permakultur

Am Anfang ist die Brombeerwildnis und der Stacheldraht, das Land ist wüst und wirr, dann will der Mensch Schöpfer sein und die Landwirtschaft der Zukunft erschaffen … ein kritischer Blick auf unseren Weg mit der Permakultur.

Foz das Caveiras – das Land lesen

Um sinnvoll mit Permakultur starten zu können, muss man zunächst das »Land lesen«.  Unsere Herdade »Foz das Caveiras« besteht im Südosten aus einer langen Hügelkette mit steilen Südhängen. Zusammen mit den Nachbargrundstücken bilden sie ein Tal. Die Hänge wurden im letzten Jahrhundert noch als Montada genutzt. Eine Montada ist eine Weide mit lockerem Baumbestand. Im Baixo Alentejo sind es zumeist Korkeichen. Heute gibt es hier nur noch den Mato und die wenigen Bäume stecken bis zum Hals im Totholz-Filz der Lackzistrosen.

Entlang des Flusses gab es Felder und einen Obstgarten. Der alte Obstgarten wurde aufgegeben und ist unter den Brombeeren erstickt. Dabei ist diese »Horta velha« einer der fruchtbarsten Bereiche der Herdade. Die mageren Felder wurden hingegen zu ebenso mageren Weiden. Vor etwa 15 Jahren hat der Vorbesitzer dort das Oliven-Projekt begonnen. Sicherlich hat er ebenso viel Elan gehabt wie wir. Doch auch dieses Projekt ist nach und nach aufgegeben worden.

In der Geschichte unserer Herdade spiegelt sich das Abwirtschaften des Landes (Degradation) durch die Landwirtschaft und damit der Niedergang der Landwirtschaft insgesamt. Mehr über die menschliche Seite dieses Niedergangs lesen Sie unter Pereiras-Gare – Leben im Nirgendwo des Alentejo. [Link]

Die Landwirtschaft der Zukunft

Und nun sind wir dran, mit Ökolandbau, Desertfarming und anderen Weltverbesserungs-Ideen eine »Landwirtschaft der Zukunft« zu gestalten. Kann das gelingen? Die Zweifel sind nur zu berechtigt. Denn leider ist die »alternative Landwirtschaft« ein hybrides Wesen aus Weltanschauungen und industriellen Narrativen der letzten 150 Jahre; maßgeblich kreiert von Leuten, die nicht vom Landbau gelebt haben, sondern von der Verbreitung ihrer Ideen. Zwar sind wir beide schon lange genug auf der Erde, um nicht all den Heile-Welt-Geschichten nachzulaufen. Doch sind auch die Fachinformationen mit diesem Weltverbesserungsbrei vermengt. So bleiben wir oft auf unser eigenes Erkennen zurückgeworfen.

Natur oder Kultur?

Eines der grundlegenden grünen Narrative ist, dass unbearbeitetes Land wieder zu Natur wird. Es soll sich quasi von selbst heilen. Dazu wird jedes noch so kümmerliche Grün als Natur bejubelt. Sollte man also überhaupt Gelände rekultivieren?

Unser Land ist so trocken, dass Abgestorbenes nicht verrottet, solange es steht. Es häuft sich über die Jahre an. Und wo nichts vergeht, entsteht auch kein nährender Mulch. Überall tritt entsprechend der sonnengebackene Lehm zutage. Eine Humusschicht gibt es nicht.

Nur Pionierpflanzen wie die Lackzistrose, die Wilde Artischocke oder Brombeeren kommen damit zurecht. Und wir schätzen diese Pflanzen für diese besonderen Fähigkeiten. Doch längst sollten sie den Boden bereitet haben für Folgepflanzen. Längst sollten an ihre Stelle Bäume getreten sein und weit größeren Lebensgemeinschaften Raum gegeben haben. Doch ganz im Gegenteil, das Land degradiert weiter. Selbst die alten Korkeichen können sich kaum noch behaupten.

Permakultur ohne Romantik-Brille

Auch wir geben uns gerne romantischen Naturbetrachtungen hin. Doch wenn wir diese Romantik-Brille abnehmen, ist es nicht zu übersehen, dass dieses Land artenärmer wird usw. Mit den Pflanzen verschwinden auch die Tiere. Selbst nach Jahrzehnten ohne Mensch ist das Land keineswegs auf einem guten Weg, weil der Kreislauf des Werdens und Vergehens unterbrochen ist.

Und weil es inzwischen auf vielen Geländen so aussieht, brennt es Jahr für Jahr im Alentejo. Hitze und Trockenheit der letzten Jahre fachen diese Dynamik zusätzlich an. Mit der Rekultivierung bringen wir die Stoffkreisläufe wieder in Gang. Doch um das tun zu können, muss uns das Land schließlich auch ernähren. Unsere Produkte schaffen also die Grundlage, auf der sich hier wieder artenreiche Biotope entwickeln können … Biotope mit Mensch.

Welch ein ketzerischer Gedanke – braucht das Land am Ende doch auch den Menschen? Dass solche Arvoribiome funktionieren, dafür gibt es überall auf der Welt Beispiele. Jeoff Lawton berichtet zum Beispiel von einem 2000 Jahre alten Agroforst in Marokko.

Gelände freilegen – »Limpeza especial«

Der erste Schritt zur Rekultivierung ist stets die Planung und die Freilegung des Geländes. Beides geht nur zusammen, da so manches Detail erst bei der Freilegung sichtbar wird. Freilich lag man uns in den Ohren, dass man das alles doch ganz einfach mit dem Bagger machen könne.

Das Ergebnis hat uns eines Besseren belehrt. Am Ende war das Totholz mit Brombeeren und Erde aufgehäuft oder im Boden verwühlt. Diese Gemengelage bewirkt vor allem eins – beschädigte Maschinen und reichlich extra Arbeit. So sind wir wieder zur Freilegung von Hand zurückgekehrt. So haben wir am Ende Holz, Biomasse, Steine etc. verwertbar getrennt und wertvoller Pflanzenbestand lässt sich besser bewahren.

Die alten Weidezäune

Der übelste Teil der Rekultivierung ist der Rückbau der alten Stacheldrahtzäune. Ursprünglich dienten sie wohl als Weidezäune. Aber mit dem Müllbewusstsein in Portugal ist das so eine Sache. So bestehen diese Zäune heute aus Totholz, Unrat und Büschen, durchflochten von Brombeerranken und Stacheldraht. Das kann man selbst mit Mulchgeräten kaum noch pflegen. Und so sind die Zäune zu mächtigen Brombeer-Stacheldraht-Dickichten angewachsen, die nun endlich weichen müssen.

Man steht also zunächst stundenlang mit dem Freischneider vor der grünen Barriere. Meter für Meter schält man den eigentlichen Zaun aus dem Brombeermantel. Immer wieder wickeln sich Drahtreste um den Schneidkopf, die man erst sieht, wenn man sich schon darin verfangen hat.

Dann müssen die Zaunreste aus den Brombeerresten hervorgezogen werden. Oft finden sich noch ältere Zäune unter den jetzigen. Und natürlich gibt es auch hier noch mehr Zivilisationsreste aufzuräumen. Stellenweise ist das so, als würde man ein Schlachtfeld räumen. Und natürlich ist man trotz Schutzausrüstung immer irgendwo zerkratzt von diesem »Brombeer-Nahkampf«.

Terraforming

Der zweite große Schritt der Rekultivierung ist die Vorbereitung der Fläche für die Neupflanzung. Ausmessen, abstecken, Gelände formieren, Arbeitswege anlegen, Leitungen verlegen usw. Das ist die große Stunde der Maschinen.

Sobald das Gelände die entsprechende Form hat, muss der Boden vorbereitet werden. Verdichtungen beseitigen, Agrokohle ausbringen, Gründüngung ansäen, … ein arbeitsintensiver Prozess, an dessen Ende schließlich das pflanzbereite Areal steht.

Auch die Schattenbäume werden ausgesucht. Nicht nur uns selbst tut der Schatten der Bäume gut in der Mittagshitze. Auch die Obstbäume werden davon profitieren, wenn hohe Bäume einen luftigen Schirm über sie ausbreiten. Wie wir bereits gesehen haben, geht es Zitrusbäumen im Schatten anderer Bäume deutlich besser als in klassischen Pflanzungen. Daneben werden diese Schattenbäume natürlich all die anderen Vorteile eines Agroforstsystems mitbringen.

Wir sind bemüht, die wenigen vorhandenen Bäume möglichst zu erhalten. Doch brauchen wir am Ende auch Pflanzungen, die wirtschaftlich zu bearbeiten sind. So gehen wir auch mit gewissem Pragmatismus zu Werke. Es müssen ohnehin viele neue Schattenbäume gepflanzt werden.

Keine Swales

Die Idee von »Swales« haben wir fallen gelassen. Diese Regensammelrinnen sind ja ein »heiliger Gral« der Permakultur. Und sie sind sicher hilfreich, um den Regen in den Boden zu bringen auf leicht abschüssigem Gelände. Doch wegen der steilen Hänge werden die Swales hier als tiefe Rinnen gebaut.

Selbst mit einem Weinbautraktor ist nicht in einen solchen Hang zu kommen. Pflegen und Ernten bedeutet also, dass alles zu Fuß gemacht werden muss. In diesen Rinnen am Hang entlang zu steigen ist beschwerlicher als in einem Kartoffelacker zu gehen. Und natürlich müssen dann die vollen Obstkisten bis ans Ende der Pflanzungen geschafft werden, denn Fahrgassen sehen diese Permakultur-Designs nicht vor. Das Ganze den vollen Tag lang. Auch die Grünpflege kann nur von Hand gemacht werden. Das ist nicht bio-romantisch, das ist eine krankmachende Plackerei. Deshalb müssen die Flächen eben auch maschinengerecht geplant werden und das Wassermanagement anders erfolgen. Wie gesagt, wir brauchen Flächen, die wir auch mit gewisser Effizienz bewirtschaften können.

Mit Yuzus, Pomeranzen und Jujube die Zukunft pflanzen

Zur Zeit haben wir drei Areale in Arbeit. Erst im kommenden Jahr werden wir hier auch zur letzten Phase der Rekultivierung kommen – dem Pflanzen. Dabei wird die Anlage von Schutzhecken, Begleitpflanzungen und Schattenbäumen letztlich mehr Aufwand sein als die Fruchtbäume selbst. Doch sollen hier möglichst vollständige Systeme aus Bäumen und Begleitpflanzen entstehen.

Mit der Auswahl der Fruchtbäume haben wir uns bereits das Kopfschütteln eingehandelt von den örtlichen »Experten«. Unsere Bäume werden voraussichtlich erst gegen Ende des Jahrzehnts Früchte tragen. Dafür werden sie uns vermutlich überleben. Wer also Bäume pflanzt, denkt in Jahrzehnten.

Was gestern noch ein Erfolgsrezept war, wird dann längst nicht mehr funktionieren. Die wirtschaftlichen Umwälzungen, die wir gerade erleben, werden die Nahrungsmittelmärkte auf den Kopf stellen. Und am Ende werden die Klimaveränderungen das Ende der modernen Landwirtschaft besiegeln. So wird das Klima noch deutlich trockener und das jetzt übliche Bewässern wird an ein Ende kommen. Klassische Obstpflanzungen werden künftig nicht mehr möglich sein. Nur Pflanzen, die monatelang ohne Regen auskommen, werden dann noch Ernten bringen.

Somit sind wir darauf angewiesen, uns mit unseren Bäumen ein Arvoribiom zu erschaffen – eine Mensch-Baum-Lebensgemeinschaft zu begründen. Das ist so neu gar nicht. So berichtet Jeoff Lawton (Pionier der Permakulturbewegung) über ein solches seit 2000 Jahren funktionierendes Arvoribiom in Marokko.

Zukunftspflanze Feigenkaktus

Eine Sonderstellung nehmen in diesem System die Feigenkakteen – auch Opuntien genannt – ein. Feigenkakteen sind Pionierpflanzen, die mit rohen Böden und monatelanger Trockenheit bestens zurecht kommen. In unseren Pflanzungen sind sie deshalb wichtige Unterstützungspflanzen, die Biomasse liefern für die Mulchschicht. Doch die Opuntien können noch viel mehr, was sie zu absoluten Zukunftspflanzen macht. Mehr darüber, warum wir von diesen Stachelgesellen begeistert sind, lesen Sie in Kürze einem eigenen Beitrag.

Ein Baum bleibt an seinem Platz

Zu einem eigenen Weg gehört ein großes Maß an Selbsttreue. Der Baum wiegt sich im Wind, doch bleibt er an seinem Platz. Nicht jeden Ökotrend mitmachen, nicht jeder German Angst nachlaufen, nicht alles ach so Wissenschaftliche glauben. Schließlich den Mut haben, auch an den eigenen Wurzeln zu rütteln und sich selbst neu zu pflanzen.

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Pereiras-Gare – Leben im Nirgendwo des Alentejo https://varzeamilagrosa.com/pereiras-gare/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=pereiras-gare https://varzeamilagrosa.com/pereiras-gare/#comments Thu, 01 Dec 2022 22:45:15 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2908 Pereiras-Gare – Leben im Nirgendwo des Alentejo Pereiras-Gare – ein versunkener Ort, mitten im Nirgendwo des südlichen Alentejo. Im Stundentakt fährt die Moderne vorbei – vorbei zu den mondänen Lojas der Algarve und den Finanzplätzen des Nordens. Ein ganz persönlicher Blick auf unsere Wahlheimat. Einst und jetzt Noch vor zwei Generationen war Pereiras-Gare voller Leben, […]

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Pereiras-Gare – Leben im Nirgendwo des Alentejo

Pereiras-Gare – ein versunkener Ort, mitten im Nirgendwo des südlichen Alentejo. Im Stundentakt fährt die Moderne vorbei – vorbei zu den mondänen Lojas der Algarve und den Finanzplätzen des Nordens. Ein ganz persönlicher Blick auf unsere Wahlheimat.

Einst und jetzt

Noch vor zwei Generationen war Pereiras-Gare voller Leben, so wurde uns berichtet. Der Ort liegt an der wichtigen Bahnlinie Linha do Sul, die Lissabon mit Tunes und Faro verbindet. So rollte hier schon im letzten Jahrhundert der Rapidó durch den Ort. In diese Zeit datiert auch der Neubau des Eisenbahnviadukts Ponte Ferroviária dos Mouratos und das schwere Zugunglück von 1954, zwei Ereignisse, die sich noch heute mit dem Ortsnamen verbinden.

Doch sind die Leute in Pereiras-Gare stets Zaungäste der Moderne geblieben. Die Senhores haben uns davon erzählt, wie sie bereits als Teenies im Straßenbau und in der Landwirtschaft arbeiteten und davon kaum leben konnten. Viele haben schließlich den Zug genommen und ihre Heimat verlassen. Nur wenige sind zurückgekommen. Manche von den Dorfleuten können deshalb noch ein wenig Deutsch.

Der Ort ist allmählich versunken. Irgendwann gab es keinen Arzt und keine Drogaria mehr. Die Gemeinde wurde aufgelöst und gehört heute zu Santa Clara-a-velha. Auch der Regionalzug hält nicht mehr in Pereiras-Gare.

Manche Häuser sind noch gepflegt, andere dämmern einer besseren Zeit entgegen. Das Ortsbild ist geprägt von den Alten, die an der Rua 25 de Abril die Neuigkeiten des Tages diskutieren. Wir haben einen kurzen Film gefunden von 2012 über Pereiras-Gare – População contesta extinção da freguesia. Da war der Ort schon so, wie wir ihn nun vorgefunden haben. Selbst die Autos gab es schon. Alles ist noch ein wenig verwitterter, die Leute sind noch älter geworden. Doch irgendwie steht die Zeit hier still.

Ein alter Pflug

Die Landwirtschaft hat sich längst aus der Region zurückgezogen. Wo einst Weizen im Sommerwind wogte, tupfen nun Wildblumen die Hänge gelb und blau. Und wo die Rinder weideten, hat sich längst der Mato ausgebreitet.

Auch ein rostiger Pflug, der unter den Brombeerdickichten wieder hervorkam, gibt uns noch Zeugnis von dieser Zeit und der Armut im Alentejo. Es ist ein einschariger Pflug, vor den man Esel spannte und von Hand führte. Der Pflug wurde mit den Resten der abgebrochenen Vorgängerbrücke (errichtet um 1889) der Ponte Ferrovíaria dos Mouratos gebaut. Es ist keine wirklich romantische Vorstellung, dass man diesen Pflug offenbar noch vor wenigen Jahrzehnten benutzt hat auf den schweren Lehmböden unserer Herdade.

Vom Tagesgespräch in Pereiras-Gare zur Normalität

In dieser Beschaulichkeit wird jede Veränderung zur aufregenden Neuigkeit. Und so waren wir von Anfang an unter »Beobachtung« der Senhores. Da fuhr schon mal ein Mofa langsam am offenen Tor vorbei … um kurz darauf erneut langsam vorbeizufahren. Manche waren direkter und stellten sich vor. Und sicherlich wurde unser Tun und Nichttun ausführlich diskutiert. Doch wurden wir auch großzügig mit Essbarem aus den privaten Gemüsegärten bedacht und bei diversen Herausforderungen unterstützt. An dieser Stelle ein herzliches Danke an Pereiras-Gare!

Gelebter Minimalismus

Ein entspannter Minimalismus durchzieht das Leben hier. Man spricht noch direkt miteinander. Ein Briefkasten ist sinnlos. Die Post wird nicht zugestellt, sondern auf der Junta da Freguesía abgegeben. Dafür quillt der Briefkasten auch nicht über von Werbeprospekten. Eine Biotonne braucht man ebenfalls nicht. Dafür hat man Hühner oder einen Komposthaufen. Und man benutzt die Dinge, solange sie funktionieren. Ob sie noch so chic wie einst sind, ist nicht so wichtig.

Freilich wird uns hier vor Augen geführt, dass wir in unserer Akkuratesse und Betriebsamkeit doch sehr deutsch sind. Und das werden wir auch nicht sobald ablegen, denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne … und viel Arbeit.

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Glutenfreie Getreide-Alternativen in der Küche https://varzeamilagrosa.com/glutenfreie-getreide-alternativen-in-der-kueche/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=glutenfreie-getreide-alternativen-in-der-kueche https://varzeamilagrosa.com/glutenfreie-getreide-alternativen-in-der-kueche/#comments Thu, 01 Dec 2022 17:48:37 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2565 Glutenfreie Getreide-Alternativen in der Küche Viele Hochsensible profitieren von einer glutenfreien und milcheiweißfreien Kost. Und natürlich bleiben auch nach dem Buch Ernährung für Hochsensible noch Fragen und Küchengeheimnisse rund um glutenfreie Getreide-Alternativen. Dieser Beitrag ist der Beginn einer kulinarischen Reise zur glutenfreien Körnervielfalt dieser Welt. Erste Annäherungen Jedes Nahrungsmittel hat seine Vorzüge und Widerspenstigkeiten in […]

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Glutenfreie Getreide-Alternativen in der Küche

Viele Hochsensible profitieren von einer glutenfreien und milcheiweißfreien Kost. Und natürlich bleiben auch nach dem Buch Ernährung für Hochsensible noch Fragen und Küchengeheimnisse rund um glutenfreie Getreide-Alternativen. Dieser Beitrag ist der Beginn einer kulinarischen Reise zur glutenfreien Körnervielfalt dieser Welt.

Erste Annäherungen

Jedes Nahrungsmittel hat seine Vorzüge und Widerspenstigkeiten in der Küche. Das gilt im Besonderen auch für die vielen glutenfreien Getreide-Alternativen. So sind viele glutenfreie Getreide-Alternativen besonders bekömmlich. So sind beispielsweise Allergien und Unverträglichkeiten gegen Hirse oder Amaranth sehr selten. Doch wollen wir Mitteleuropäer sind nun mal unser tägliches Brot und so sollen sich auch die glutenfreien Körnchen in luftige Laibe und Wecken verwandeln. Und da verlangen sie uns dann doch einiges an Know-How und Kreativität ab. Das fehlende Gluten verlangt nach neuen Teigführungen, nach Konsistenzverbesserung usw. Und weil wir hier auch noch die Hochsensibilität mit ihren besonderen Bedürfnissen im Blick haben, braucht es zudem kleine Kniffe für eine optimale Bekömmlichkeit.

Doch gehen die Menschen seit Jahrtausenden mit den glutenfreien Zerealien und Pseudozerealien um. Und so gibt es überall in den ursprünglichen Traditionen auch wertvolle Erfahrungen. Diese als Inspirationen wertzuschätzen und in unsere modernen Lebensumstände zu übersetzen ist der Weg zum Genuss.

Getreide oder Zerealien, pseudo oder echt … was ist das?

Als »Getreide« oder »Zerealien« werden die Samen von Süßgräsern (Poaceae) bezeichnet, die gegessen werden. Je nach Kontext werden auch die Getreidepflanzen als Getreide bzw. Zerealien bezeichnet. Hierzu zählen zunächst die glutenhaltigen Brotgetreide (Dinkel, Einkorn, Emmer, Gerste, Kamut, Roggen, Triticale, Weizen). Zu den glutenfreien Getreide-Alternativen gehören Hafer, Hirse, Mais, Reis, Sorghum und Wildreis zu den Zerealien. Hingegen sind Buchweizen, Amaranth, Quinoa und Canihua keine Süßgräser. Da sie jedoch wie Getreide verwendet werden, werden sie als »Pseudogetreide« bzw. »Pseudozerealien« bezeichnet.

Eine Anmerkung: Um der Lesbarkeit willen werde ich im Weiteren nur von »Getreiden« bzw. »Zerealien« anstelle von »Getreide und Pseudogetreide« sprechen. Es sind jeweils beide Gruppen gemeint, soweit nicht besonders angegeben.

Je kleiner, desto besser – warum sind kleinkörnige Zerealien wertvoller?

Das Wertvollste am Samenkorn ist der Keim. Dort reichern die Pflanzen ungesättigte Fette, Vitamine und Schutzstoffe an, um dem Keim gute Startbedingungen zu schaffen. Das Zweitwertvollste am Samenkorn ist die Schale. Auch in der Schale konzentrieren sich wertvolle Inhaltsstoffe, um das Samenkorn gut zu schützen. Je kleinkörniger ein Samen ist, desto höher ist nun der Keim- und Schalenanteil am essbaren Anteil. Deshalb sind kleinkörnige Saaten für uns generell wertvoller als großkörnige.

Ein weiterer Grund liegt in der züchterischen Bearbeitung. Großkörnig sind die typischen Brotgetreide vor allem deshalb, weil man sie auf hohe Erträge hin gezüchtet hat. So erntet man heute etwa dreimal so viel Weizen wie Hirse von einem Feld. Sekundäre Inhaltsstoffe wurden in der Züchtung hingegen vernachlässigt. So entstanden Sorten mit großem Mehlkörper, hohem Stärkeanteil, aber wenig anderen wertgebenden Inhaltsstoffen.

Ein dritter Grund liegt in den Anbaumethoden. Stickstoffbetonte Düngung verringert den Gehalt an wertgebenden Inhaltsstoffen. Schon Prof. Werner Schuphan (Mensch und Nahrungspflanze. Der Biologische Wert der Nahrungspflanze in Abhängigkeit von Pestizideinsatz, Bodenqualität und Düngung, 1976) https://www.springer.com/de/book/9789061935575

Zu den Top Getreide-Alternativen gehören deshalb Amaranth, Quinoa, Canihua, Hirse, Sorghum, Teff, Buchweizen.

Ebenfalls glutenfrei, jedoch deutlich weniger wertvoll sind deshalb Reis und Mais. Auf den untersten Plätzen der Wertigkeit rangieren Auszugsmehle, da hier Keim und Schalenanteile abgetrennt werden.

Buchweizen – das Korn der Moorbauern, Bergler und Steppenvölker

Mein Favorit unter den Getreide-Alternativen ist der Buchweizen. Trotz dieses Namens ist er kein Getreide. Vielmehr ist er ein Knöterichgewächs (Polygonaceae) und verwandt mit Ampfer und anderen Wildkräutern. Entsprechend enthält er kein Gluten.

Der Buchweizen wurde dort zum Begleiter des Menschen, wo die Böden zu schlecht oder die Sommer zu kurz waren für Getreideanbau. Ausläufer dieser Traditionen finden wir noch in der Steiermark, in der Lüneburger Heide, in der Bretagne, in Russland, China usw. Entsprechend hat die Pflanze recht unterschiedliche Namen bekommen. Den Romanischsprachigen ist sie als Sarrazener Korn (grano saraceno, trigo sarraceno, sarrasin) bekannt, im Norden und Osten als Heidenkorn (slaw. Pohanka).

Dieses Hintergrundwissen ist mir immer wieder überaus nützlich bei der Suche nach Inspirationen. Und es hilft auch, sich mit seiner glutenfreien Ernährung weniger außerirdisch zu fühlen. Denn in diesen Regionen werden wir auch fündig nach Zubereitungsarten. So bereitet man Blinis, Lüneburger Buchweizentorte, Münsterländer Pfannkuchen mit Prütt, Galettes bretonnes und anderes mehr.

Leider darf man bereits ab 20 % Buchweizenanteil ein Brot als Buchweizenbrot bezeichnen. Ein reines Buchweizenbrot-Rezept finden Sie im Beitrag Bernhard’s Buchweizenbrot. Auch bei Blinis und Galettes bretonnes ist inzwischen oft glutenhaltiges Mehl mit im Spiel. Fragen Sie also nach!

Welcher Buchweizen wofür?

Gedarrter Buchweizen hat einen bräunlichen Grundton mit helleren und dunkleren Körnern. Ist er über offenem Feuer gedarrt worden, hat er ein leicht rauchiges Aroma, das an Grünkern erinnert. Er ist gut für alle Verwendungen, wo ein körniges Ergebnis gewünscht wird und ein herzhafteres Aroma passend ist. Man kann ihn Dämpfen, in Aufläufe und Hackbraten mischen, als Brei kochen. Gebäck gelingt jedoch nicht damit.

Ungedarrter Buchweizen hat einen leicht grünlichen Grundton. Für Gebäck ist nur dieser Buchweizen geeignet, da nur dieser gute Backeigenschaften hat.

Buchweizenmehl Gute Backeigenschaften hat nur Buchweizenmehl aus ungedarrtem Buchweizen. Es hat einen feinen Geschmack und eignet sich für leichte Teige und Massen aller Art. Vom herzhaften Brot über Kuchen bis zum süßen Gebäck, von Plinsen, über Ausbackteige und Pfannkuchen gelingt damit fast alles. Natürlich wird das Gebäck innen eine hellgraue Farbe haben, die wir als Ausdruck seiner Wertigkeit annehmen können.

Leider wird Buchweizenmehl vielfach auf Anlagen hergestellt, mit denen auch glutenhaltige Mehle hergestellt werden. Dadurch gelangt Gluten ins Buchweizenmehl. Für eine glutenfreie Kost ist deshalb darauf zu achten, dass das Mehl als glutenfrei deklariert ist.

In russischen Läden habe ich auch Mehl aus gedarrtem Buchweizen gesehen. Es hat eine leicht bräunliche Farbe und wird offenbar für Breie benutzt. Zum Backen etc. ist es jedoch ungeeignet.

Saponine reduzieren im Buchweizen

Buchweizen enthält diverse wertgebende Inhaltsstoffe, darunter nennenswerte Mengen an Rutin (Rutin content in buckwheat (Fagopyrum esculentum Moench) food materials and products). Rutin ist ein Schutzstoff für Venen und Darm.

Er enthält jedoch auch Saponine. Diese sind zwar grundsätzlich wertvoll, machen jedoch manchen Menschen Verdauungsbeschwerden. Um die Saponine zu reduzieren, kann man Buchweizenkörner blanchieren. Dazu kocht man den Buchweizen mit kaltem Wasser auf, lässt ihn kurz ziehen und seiht ab. Dann gart man die Körner in frischem Wasser fertig. Auch das Toasten in der Pfanne (trocken erhitzen ohne nennenswerte Bräunung) verbessert die Bekömmlichkeit. Was für körnig gekochten Buchweizen problemlos anwendbar ist, funktioniert bei Buchweizenmehl natürlich nicht. Beim Backen hilft eine lange Teigführung … besonders mit Sauerteig … weiter. Wenn das alles nicht funktioniert für Sie, dann ist vielleicht die nächste Getreide-Alternative ihr künftiger Favorit.

Hirse – süßer Brei und noch viel mehr

Wenn wir von »Hirse« sprechen, dann denken wir allgemein an kleine gelbliche Kügelchen, adrett verpackt. Wir ahnen kaum etwas von der Vielfalt an Hirsen, die weltweit die Teller füllen. Tatsächlich gibt es weltweit an die hundert Hirsearten, die in der Küche verwendet werden. Auch Teff, Sorghum und Braunhirse gehören dazu. Hatomugi (Hiobstränen, chinesische Perlhirse) sind noch online zu besorgen.

 

 

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Buchweizen – das Korn aus dem Osten https://varzeamilagrosa.com/buchweizen-das-korn-aus-dem-osten/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=buchweizen-das-korn-aus-dem-osten https://varzeamilagrosa.com/buchweizen-das-korn-aus-dem-osten/#respond Sun, 16 Aug 2020 18:59:33 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2790 Buchweizen – das Korn aus dem Osten Buchweizen wird hier gerade als gesund-und-glutenfrei-Trendkost entdeckt. Dabei ist er ein uraltes Erbe der Menschheit. Warum wird uns nichts von dieser reichen Kultur erzählt? Und warum wird immer noch behauptet, dass man damit kein Brot backen könnte? In diesem Beitrag teile ich mit Ihnen die Ergebnisse meiner gastrosophischen […]

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Buchweizen – das Korn aus dem Osten

Buchweizen wird hier gerade als gesund-und-glutenfrei-Trendkost entdeckt. Dabei ist er ein uraltes Erbe der Menschheit. Warum wird uns nichts von dieser reichen Kultur erzählt? Und warum wird immer noch behauptet, dass man damit kein Brot backen könnte? In diesem Beitrag teile ich mit Ihnen die Ergebnisse meiner gastrosophischen Spurensuche rund um Heidenkorn, Hadn, Schwarzplenten, trigo sarraceno, Soba … und wie der Buchweizen sonst noch heißt.


Buchweizen – eine erste Annäherung

In Deutschland kennen wir Buchweizen als kleine kantige Körnchen in adretten PP-Packungen. Vielen Gesundheitsbewussten hierzulande ist er inzwischen bekannt und doch so kulturlos fremd. So irgendetwas Neues eben … und so kommt zuerst der Ruf nach Rezepten. Und das WWW ist voll davon. Doch Rezepte sind wie Klopapier. Man hortet sie, doch bleiben sie Fremdkörper in unserem Bewusstsein. Sie erwecken in uns kein Gespür für die Nahrungsmittel. Etwa so wie gepaukte Vokabeln in uns kein Gefühl für eine Sprache erwecken. So hindern uns die vielen wunderbaren Rezepte eher daran, kochen zu lernen und mündig zu werden. Das geistige Verdauen fehlt. Erlauben wir uns also ein Bad im Buchweizen.

Wie so oft in meinen Recherchen, so fand ich auch den Buchweizen überwuchert von endlos Abgeschriebenem, erdrückt von Halbwahrem und Halbgarem. Die am regelmäßigsten auftauchende falsche Behauptung ist, dass man mit Buchweizen alleine kein Brot backen könne. Nicht ahnend, dass es schlicht unmöglich ist, backe ich nun schon seit über 20 Jahren ein reines Buchweizenbrot (mehr dazu im Beitrag Bernhards Buchweizenbrot). Ebenso regelmäßig finden sich diverse Mythen über seine Herkunft. Begeben wir also zunächst auf eine kleine Reise zu den Ursprüngen der Buchweizenkultur.

Die Wiege des Buchweizens

Etliche Autoren sind noch auf dem Stand, dass man gar nicht so genau wisse, woher der Buchweizen ursprünglich stammt. Wikipedia-Autoren vermuten die Heimat des Buchweizens in »Zentral- bis Ostasien«.  Russische Autoren sind sich dagegen recht sicher, dass die Heimat des Buchweizens in den »zentralasiatischen Steppen und Ebenen Sibiriens« liegen muss. Wo auch sonst, ist doch »die russische Küche … ohne Buchweizen unvorstellbar«, wie zwei russische Food-Blogger erklären. Ich respektiere diese Verbeugungen vor den kleinen kantigen Körnchen. Auf der Suche nach dem wirklichen Ursprung müssen wir jedoch noch weiter nach Osten vordringen.

Ohmi Ohnishi hat die Verbreitung des Buchweizens anhand genetischer Merkmale zurückverfolgt. Nach seinen Erkenntnissen sind die Himalayahänge im Nordwesten von Yunnan die Wiege des Buchweizens (Ohmi Onishi – Search for the wild ancestor of buckwheat III. The wild ancestor of cultivated common buckwheat, and of tatary buckwheat, 1998) Von Yunnan aus reiste der Qiáo (chin.) in den Packsäcken der Händler und Reiter dann in alle Himmelsrichtungen.

Älteste Buchweizenfunde

Dazu passt es zunächst recht gut, dass es prähistorische Buchweizenfunde aus der benachbarten Region von Chamdu in Osttibet gibt. Diese Funde datieren auf die Zeit um 2600 v. Chr. und belegen den Anbau in dieser Region. Ausgehend von diesen Funden wird nun gerne gefolgert, dass Buchweizen erst seit etwa 4600 Jahren kultiviert wird. Matsuo Tsukuda et al. (Oldest primitive agriculture and vegetational environments in Japan, 1986) berichten jedoch davon, dass Soba (jap.) bereits ab 6600 v. Chr. in Japan kultiviert wurde. Dorthin kam er wiederum bereits über Handelsbeziehungen. Somit muss er in Yunnan noch deutlich früher angebaut worden sein. Damit gehört er auch zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt – ein Erbe der Menschheit.

Nach Westen gelangte der Buchweizen entlang der Seidenstraße. Mit genetischen Vergleichen der Kulturvarietäten konnte Ohnishi diese stille Wanderung nachzeichnen. Handel und Anbau gingen wohl Hand in Hand. Von den Tibetern übernahmen Kirgisen, Tadschiken und Usbeken den Anbau der Nüsschen. Im 7. – 3. Jh. v. Chr. war der Buchweizenanbau bereits bis zu den Skythen nördlich des Schwarzen Meeres vorgedrungen.

Europa und der Buchweizen

Obwohl der Buchweizen damit bereits vor der Zeitenwende an den Rändern Europas präsent war, wurde er nicht übernommen. Erst ab dem 12. Jahrhundert sickerte der Buchweizenanbau schließlich doch aus Russland über Polen nach Deutschland ein. Erstmals schriftlich erwähnt wird er gegen Ende des 14. Jahrhunderts (Leinetal, 1380, und Nürnberg, 1396). Von hier verbreitete sich das Heidenkorn allmählich nach Frankreich, Spanien und in die Alpenländer.

Ab dem 16. Jahrhundert wurde Buchweizen dann in ganz Europa dort angebaut, wo die Sommer zu kurz oder die Böden zu schlecht für Getreide waren. (Udelgard Körber-Grohne – Nutzpflanzen in Deutschland von der Vorgeschichte bis heute. Theiss, Stuttgart 1995). Auch als Zwischenfrucht wurde zeitweise gerne Buchweizen angebaut. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft verschwand der Anbau in Deutschland jedoch wieder.

Das Korn mit den vielen Namen

Bei meinen Recherchen ist eines für mich sehr auffallend: die vielen europäischen Namen für den Buchweizen. Das ist doch verwunderlich, wo der Kraftspender der Bergler und Moorbauern allenfalls eine Randerscheinung der europäischen Esskultur sein soll. (Auch dies ist wohl nur ein Narrativ, wie ein Zeitzeugenbericht aus der Eifel zeigt.) Und doch erzählen uns diese Namen leise Geschichten darüber, wie sich die Welt in unser Essen einmischt. Und es hilft ungemein bei der Suche nach tradierten Buchweizen-Rezepten, eben diese Namen zu kennen (mehr dazu im Beitrag Buchweizen in der Küche – noch nicht verfügbar).

Heidekorn, Heidenkorn, Hoad, Hadn …

Weit verbreitet war es, den Buchweizen als heidnisch – gleich unchristlich – zu brandmarken. Noch deutlicher verweisen Namen wie Sarazenerweizen, Trigo sarraceno (span.), grano saraceno (ital.) den Buchweizen in die Welt der Andersgläubigen. Als Sarazener verstand man im Mittelalter nicht ein bestimmtes Volk. Vielmehr wurde der Begriff für Muslime ganz allgemein verwendet. (vgl. Hannes Steiner – Sarazenen, 2012) Das ist ebenso propagantistisch, als würde man heute vom »Islamistenweizen« oder vom »Verschwörungstheoretiker-Korn« sprechen.

Das aufrechte Korn

Dass ausgerechnet dieses kulinarische Kleinod in den Schmutz getreten wurde, ist natürlich kein Zufall. Das schwarze Welschkorn hat sich über die Jahrtausende sehr ursprünglich erhalten. So ist die Befruchtung des sarrasin (frz.) bis heute eine unsichere Sache und so schwanken auch die Erträge erheblich. Im Gegensatz zu den glutenhaltigen Getreiden reift der Buchweizen noch immer folgernd ab. Er muss deshalb geerntet werden, während er noch blüht. Es braucht dabei Erfahrung, um den richtigen Erntezeitpunkt zu bestimmen. Man konnte ihn also als unzuverlässig, eigensinnig, rebellisch, rückständig beschreiben.

Im Kunstmärchen »Der Buchweizen« (1862) benutzt Hans Christian Andersen diese Zuschreibungen weidlich. »Der Buchweizen neigte sich durchaus nicht, wie das übrige Getreide, sondern prangte stolz und steif. … ‚Nun kommt des Sturmes Engel geflogen! Er hat Schwingen, die reichen oben von den Wolken bis gerade herunter zur Erde, und er schlägt Dich mitten durch, bevor Du bitten kannst, Dir gnädig zu sein!‘ … Als das böse Wetter später vorbei war, standen die Blumen und das Getreide in der stillen reinen Luft ganz erfrischt vom Regen; aber der Buchweizen war vom Blitz kohlschwarz gebrannt.« Schon den bürgerlichen Kindern wurde so Untertänigkeit als angemessene Grundhaltung eingeängstigt. Wer aufrichtig bleibt wie der Buchweizen, wird von einer Allmacht bedroht. Wer sich duckt, wird belohnt.

Im Buchweizen verband sich Andersgläubigkeit mit rebellischer Gesinnung und Unzuverlässigkeit. Die Guten und Rechten aßen deshalb Brot. Diese Zuordnung ging soweit, dass auf die Buchweizenernte auch kein Zehnt abzuliefern war. Bei Hadnsterz und Schwarzplenten sammelten sich deshalb vor allem die, die sich gar kein tägliches Brot leisten konnten. Menschen, die unter schwierigen Bedingungen lebten, wurden so auch sozial ausgegrenzt. Damit hat sich eine Art Kastensystem etabliert, das die Menschen nach ihren Essgewohnheiten unterscheidet.

Das Heidenkorn ist mithin ein beredtes Beispiel, wie abendländisches Vormachtsdenken und hierarchische Strukturen auch am Esstisch festgeschrieben werden.

Der falsche Weizen

Ein zweiter roter Faden ist die Zuschreibung einer Minderwertigkeit. Türkischer Weizen, Welschkorn ist dem Weizen gesundheitlich sogar überlegen. Und doch wird hier Unechtheit – und damit Minderwertigkeit – ausgedrückt. Selbst in Buchweizen kommt das »Buch« wohl nicht von der Buche, wie allgemein behauptet wird. Im Mittelhochdeutschen heißt die Buche »buoche«, davon abgeleitet »beech« (engl. Buche). »boek« hingegen bedeutet Bock. Im Englischen »buckwheat« ist diese Wortherkunft noch besser sichtbar. Das Wort »Buchweizen« bedeutet also »Bocksweizen«, gleich »minderer Weizen«.

Dieser europäischen Geringschätzung steht die ungebrochene Wertschätzung des Buchweizens in China, Tibet, Japan, Russland, Ukraine, Polen und weiteren Regionen der Erde gegenüber (F. J. Zeller – Buchweizen (Fagopyrum esculentum Mönch): Nutzung, Genetik, Züchtung). Diverse Buchweizengerichte sind dort regional hochgehaltene Esstraditionen. Buchweizennudeln (Soba) sind sogar ein Nationalessen in Japan. Dort steht der Buchweizen für Veränderung und Soba-Nudeln werden bei wichtigen Anlässen serviert.

Buchweizen in der bildenden Kunst

Auch die europäische Kunst hat den Buchweizen über Jahrhunderte hinweg regelrecht totgeschwiegen. Auf keinem historischen Bild ist mir das markante Korn je begegnet. Auch die Pracht blühender Buchweizenfelder wurde nicht wert erachtet, gemalt zu werden. Die klassische Malerei war natürlich vor allem PR für die herrschende Klasse. Die Künstler arbeiteten im Auftrag der Adeligen, Reichen und des Klerus. Diese herrschende Schicht wollte sich sowohl von den Kleinen Leuten als auch von den konkurrierenden Mächten abgrenzen. Entsprechend wollten sie den Sarazenerweizen auch nicht an ihren Wänden haben.

Doch auch den späteren Kunstschaffenden ist das Heidenkorn noch keinen Pinselstrich wert. Dabei war der Buchweizenanbau bis Ende des 19. Jahrhundert bedeutsam in Deutschland. Er war also in den Heidelandschaften und Bergregionen häufig. Und in eben dieser Zeit entstanden zahllose bäuerliche Szenen und Landschaftsbilder. Doch der Buchweizen taucht auf den Bildern bekannter deutscher Genre-Maler nicht auf. Auch die Impressionisten sind noch vorübergegangen an der Schönheit blühender Buchweizenfelder.

Der Postimpressionismus entdeckt den Buchweizen

Dieses Schweigen der Kultur endet in Deutschland erst Ende des 19. Jahrhunderts. Inmitten der Moor- und Heidelandschaft von Worpswede war der Buchweizen allgegenwärtig. Und Malern wie August Friedrich Overbeck (Buchweizenfelder am Weyerberg, 1897 (Titelbild des Beitrags); Blühendes Buchweizenfeld, 1900) war die Anmut des blühenden Heidekorns endlich Farbe und Leinwand wert. Auch Rainer Maria Rilke erwähnt das Heidenkorn immerhin bei seinen Aufenthalten in Worpswede (Rainer Maria Rilke – Briefe und Tagebücher aus der Frühzeit 1899 bis 1902, 1933).

Anmerkung: Falls Sie Kenntnis haben von Werken europäischer Künstler, die Buchweizen abbilden, freue ich mich über Ihren Kommentar.

Im Internet habe ich eine Fotostrecke von blühendem Buchweizen in Nordvietnam entdeckt. Überzeugen Sie sich also selbst von dieser außergewöhnlichen Ästhetik.

Aktuell besinnen sich erste Bauern in Deutschland wieder auf den Buchweizenanbau. In »Mutige Bauern in der Heide« (NDR Doku, Upload 29.05.2020) wird neben anderen Projekten ein Bauer vorgestellt, der Buchweizen anbaut … leider bislang nur für seine Hühner. Immerhin gibt es auch in diesem Beitrag schöne Kamerafahrten über blühende Buchweizenfelder und einen ersten Eindruck von der Kultur.

Buchweizen in der Küchenkultur

Der Buchweizen ist uns also nicht als glorreiches Erbe der Reiter Dhingis Khans geblieben. Auch die Sarazenen haben uns nicht die braunen Nüsschen hinterlassen gleich dem Kaffee. Vielmehr ist er mühselig auf den Wagen der Händler aus dem Osten nach Deutschland gerumpelt. Still und bescheiden hat er hier den Hunger der Sandler, Bergler und Moorbauern besänftigt. Abseits der Berge und Torfstiche war er hingegen nur Streckmehl im immer knappen Brot. Behaftet mit dem Makel des Minderen und Unchristlichen wurde er hierzulande auch nicht gern gesehen auf den Tafeln der Reichen.

So fehlt den tradierten Buchweizengerichten in Europa die Finesse. Pfannkuchen, Plinsen und Grütze dominieren die regionalen Buchweizenspezialitäten; gefolgt von Panhas, Buchweizensterz und -polentagerichten. Buchweizennudeln und -gebäck sind rare Erscheinungen.

Solche tradierten Gerichte findet man heute noch in der Steiermark und Tirol, in der Lüneburger Heide, in der Eifel, im Hunsrück, in Oberfranken. Auch im Tessin, in der Bretagne und vermutlich einigen weiteren Gegenden Europas haben sich Buchweizengerichte erhalten.

In Polen, Russland und anderen östlichen Regionen erfreuen sich Buchweizengerichte einer ungebrochenen Beliebtheit. Auch weiter östlich gibt es traditionelle Buchweizengerichte und -gebäck. So backt man in Indien Chapatis und Rotis auch aus Buchweizen. In China schätzt man neben Nudeln auch eine Art Gelee aus Buchweizen. Für Japaner schließlich sind die Buchweizennudeln sogar ein Nationalgericht und in aller Munde.

Buchweizen in der postmodernen Küche

In der modernen Küche gesellt sich nun einiges Neues hinzu. So entdeckte ich auf spanischen Websites diverse ansehnliche Buchweizenbrote und Risotto-Gerichte mit Buchweizen. Es gibt neue Produkte wie Buchweizenpops. Körniger Buchweizen wird als Beilage kombiniert, als Fülle für geschmorte Gemüse verwendet. Brownies, Bisquit, karamellisierter Buchweizen … auch eine große Auswahl von süßen Speisen ist online verfügbar. Und natürlich werden tradierte Rezepte neu interpretiert. Es geht weg von der fetten Landarbeiterkost hin zu leichteren, eleganteren Versionen. Auch das Buchweizenkraut wird regional als Gemüse geschätzt.

Freilich ist das vielfach nicht sprachbarrierefrei, so dass ich mich im Beitrag Buchweizen in der Küche (noch nicht verfügbar) der Zubereitung widme.

 

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Kombucha – Sommerdrink und Darmschmeichler https://varzeamilagrosa.com/kombucha/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=kombucha https://varzeamilagrosa.com/kombucha/#comments Mon, 08 Jun 2020 15:41:39 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2743 Kombucha – Sommerdrink und Darmschmeichler Manche Experten sehen in Kombucha nur ein Erfrischungsgetränk. Bei den Fans hingegen gilt er als Allheilmittel. Und viele Medien begnügen sich ohnehin damit, Abgeschriebenes über die Bildschirme auszugießen. So schwimmt der »Teepilz« in einem trüben Cocktail aus profitsaurer Marginalisierung und spritzig-süßem Gesundheits-Hype. Gerade meine Hochsensiblen fragen mich deshalb, ob der […]

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Kombucha – Sommerdrink und Darmschmeichler

Manche Experten sehen in Kombucha nur ein Erfrischungsgetränk. Bei den Fans hingegen gilt er als Allheilmittel. Und viele Medien begnügen sich ohnehin damit, Abgeschriebenes über die Bildschirme auszugießen. So schwimmt der »Teepilz« in einem trüben Cocktail aus profitsaurer Marginalisierung und spritzig-süßem Gesundheits-Hype. Gerade meine Hochsensiblen fragen mich deshalb, ob der Trank der Unsterblichkeit für sie überhaupt empfehlenswert ist? Wissen und Inspirationen rund um Kombucha.

Kombucha – was ist das überhaupt?

Zunächst möchte ich hier mit den meistgelesenen Mythen aufräumen. So wird Kombucha als »mostähnliches Getränk auf Teebasis« (z. B. Deutsche Apothekerzeitung mit Verweis auf die DGE, 2000) bezeichnet, das durch Fermentation mit dem »sogenannten Kombucha-Pilz oder Teepilz« (Wikipedia, abgerufen 2020) hergestellt würde. Tatsächlich ist er weder mostverwandt noch ein Pilz noch wird er durch Fermentation gewonnen.

Fermentation kommt durch pflanzeneigene Enzyme zustande. Rooibos-Tee und Schwarztee entstehen durch derartige Prozesse. Die Bräunung dieser Tees ist eine typische Folge des Fermentierens. Pilz- und Bakterienwachstum sind dabei lediglich eine unvermeidliche Begleiterscheinung, aber prinzipiell unerwünscht. Im Kombucha sind die Bakterien und Hefen wesentlich, Enzyme aus dem Tee sind Nebensache.

Most entsteht durch eine Hefegärung und ist deshalb deutlich alkoholisch. Die Entwicklung von Säurebakterien wird dabei nach Kräften unterdrückt, z. B. durch eine Schwefelung. Im Kombucha sind gerade die Säurebakterien entscheidend wichtig. Das Getränk steht damit tatsächlich dem Essig nahe.

Bei der traditionellen Essigbereitung stellt man zunächst einen Grundwein her und lässt diesen dann zu Essig vergären. Neben der Essigsäure bilden die Essigbakterien dabei einen typischen Biofilm aus Zellulose, den man »Essigmutter« nennt.
Anders als beim traditionellen Essig sind im Kombucha neben Essigbakterien auch Hefen am Werk. So finden Weinbereitung (Vinifikation) und Essiggärung parallel statt. Die Hefen bilden dabei zunächst Alkohol, doch dominieren die Essigbakterien im Gärprozess. Der Alkoholgehalt bleibt recht gering und die Bildung organischer Säuren steht im Vordergrund. Auch hier bilden die Essigbakterien und manche Hefen die typische Essigmutter auf der Oberfläche, fälschlich als »Teepilz« bezeichnet.

Der »Teepilz«, wissenschaftlich als Symbiotische Kultur von Bakterien und Hefen (SCOBY) bezeichnet, ist also tatsächlich die Essigmutter des Kombucha und wird von den Essigbakterien und Hefen gebildet. Deshalb kann man diese SCOBY auch für die Essigbereitung mit Wein bzw. Obstwein verwenden. Pilze sind an der Bildung nicht beteiligt.

Essiggetränke – die Geschwister des Kombucha

Wenn wir über Essig als Getränk sprechen, müssen wir uns zunächst vergegenwärtigen, dass diese Essiggetränke nicht viel gemeinsam haben mit den hart-sauren industriell fabrizierten Essigen. (Eine lesenswerte Betrachtung über die Industrialisierung der Essigbereitung finden Sie bei Uwe Spiekermann – Alles Essig? Das Saure zwischen natürlich und künstlich) Sorgfältig hergestellter Gärungsessig kann eine milde Säure und Eleganz entfalten. (Einen kurzen Abriss über die traditionelle Essigbereitung finden Sie bei Dr. G. Röhrig – Häusliche Essigbereitung)

Getränke, die auf einer Essig- bzw. Essig-Hefe-Gärung beruhen, haben mit Sicherheit eine ebenso lange Tradition wie die milchsauren Getränke. So wird davon berichtet, dass die antiken Ägypter ein Essigbier brauten, das Hequa genannt wurde. Römische Legionäre tranken Posca, ein Essiggetränk aus Wein. Vergoren wurde, was regional verfügbar war. Entgegen den höchst spärlichen Quellen müssen Essiggetränke weit verbreitet gewesen sein.

Essigbakterien und Hefen sind in der Natur ohnehin präsent. So war es stets weit herausfordernder, die Mikroben von ihrem Wirken abzuhalten als mit ihnen derartige Getränke zu produzieren. So waren Getränke aus verdünntem Essig über alle Zeiten gängige Durstlöscher bei der Arbeit. Aber es waren eben auch die Getränke der »kleinen Leute« und schienen deshalb wohl nicht erwähnenswert. So finden sich nur noch die antiken Gärgefäße. Auch in der Bibel wird erzählt, dass dem gekreuzigten Jesus ein Essig(getränk) angeboten wurde. Leider sind auch hier weder Name noch Zusammensetzung überliefert. Die Tradition des Kombucha-Trinkens war also eingebettet in eine reiche Kultur der Sauergetränke.

Von der unbekannten Vielfalt des Kombucha

Kombucha soll in Ostasien entstanden sein. Da war es auch für mich bislang naheliegend, dass Tee als Ansatzflüssigkeit benutzt wird. Doch sind mir bei der tieferen Recherche zu diesem Beitrag neue Widersprüche bewusst geworden in der Entstehungsgeschichte. Diese lassen nur einen Schluss zu: ursprünglich wurde Kombucha anders und sehr verschieden bereitet.

Heute gilt Schwarztee als der klassische Tee für die Zubereitung. Doch verbreitete sich Schwarztee erst ab dem 19. Jahrhundert durch den Einfluss des britischen Kolonialismus. In Asien war Schwarztee vorher sehr unüblich. Dort trank und trinkt man primär verschiedene Grüntees oder Pu-erh. Damit wurde mit Sicherheit ursprünglich auch Grüntee bzw. Pu-erh zum Kombucha-Brauen benutzt.

Auch das Süßen mit Zucker ist vermutlich eine moderne Angelegenheit. Zwar gilt Ostasien als die Heimat des Zuckerrohrs und Zucker war durchaus bekannt. Doch war der Zucker auch dort bis in die Neuzeit teuer. Kombucha war aber vor allem ein Getränk der armen Bevölkerung. Man nutzte deshalb sicher verschiedene süße Grundstoffe, je nach Verfügbarkeit. Die Hefen in der SCOBY erzählen uns etwas darüber, was das gewesen sein könnte. Saccharomyces cerevisiae und Schizosaccharomyces pombe gedeihen sowohl in Fruchtsäften als auch in Bier. Pichia fermentans findet sich unter anderem regelmäßig auf Trauben. Neben Zuckerrohrsaft und Honig könnten damit auch Früchte oder Säfte verwendet worden sein. Auch Sorghum oder Hirse könnte verwendet worden sein.

Eine andere Zubereitung

Vor dem Hintergrund, dass Essiggetränke in früheren Zeiten weit verbreitet waren, ist es folgerichtig, die Entstehung des Kombucha als Teil dieser Traditionen zu sehen. Daraus ergibt sich, dass die Zubereitung ursprünglich vielfach auch wie Essig gehandhabt wurde. Der klassische Weg der häuslichen Essigbereitung ist ein Essigkrug. Dabei gibt man immer wieder Reste von Wein, Bier, etc. in den Gärkrug zu einem Ansatz mit Essigkulturen. Gleichzeitig entnimmt man nach Bedarf den benötigten Essig aus dem Gärkrug. Solch ein Essigkrug war ein fester Haushaltsbestandteil in vielen Regionen der Erde bis in unsere Zeit. Nach diesem Prinzip ist naheliegenderweise auch Kombucha gebraut worden. Das serielle Brauen (eine Kurzanleitung finden Sie weiter unten) ist mithin eine moderne Art, die ein süß-säuerliches, leicht moussierendes Getränk verspricht. Das kontinuierliche Verfahren mit dem Gärkrug führt im Alltag eher zu einem mild sauren Getränk (eine Anleitung finden Sie unter Fairment-Wissen).

Kombucha ist naheliegenderweise entstanden, weil auch Teereste und Süßes in solch einen häuslichen Essigansatz geschüttet wurden. In jedem Fall war Kombucha in seiner ursprünglichen Form sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Solche familiär gepflegten Rezepturen scheint es in Regionen Russlands noch immer zu geben.

Die Begebenheit, nach der ein Arzt namens Kombu 414 n. Chr. das Getränk dem Kaiser Inkyo für Magenbeschwerden empfohlen haben soll, machte Kombucha lediglich als Heilmittel bekannt und gab im seinen heutigen Namen. Kombu-Cha bedeutet »Tee des Kombu«. Getrunken wurde er jedoch schon Jahrhunderte vorher.

Moderne Zeiten

Die Tradtion der Essig-Getränke erlebt gerade eine Neubelebung. Getränkehersteller kreieren inzwischen wieder Durstlöscher mit Obstessig wie den Switchel. Mit Trinkessigen, die man sogar als Aperitiv reichen kann, bezeugen moderne Essigmeister das Potential der Essiggetränke.

Auch der Kombucha ist gerade dabei, zum Mode-Getränk zu avancieren. Inzwischen führen selbst namhafte Firmen wie RAUCH Fruchtsäfte Kombucha im Sortiment. Leider wird das Getränk noch als eine Art Lifestyle-Limonade angeboten – relativ süß und pasteurisiert. Der Wert für die Gesundheit bleibt hier auf der Strecke. Kleinere Unternehmen, z. B. Fairment, bieten jedoch auch Kombucha-Getränke mit lebenden Bakterien an, die allen Ansprüchen genügen.

Das Beste sind die lebenden Mikroben

Durch unsere Lebensweise neigen wir alle zu einer Mikrobiomverarmung (auch Darmflora-Verarmung genannt). Je artenärmer unsere Bakterienflora im Darm ist, desto anfälliger werden wir für Zivilisationserkrankungen, Übergewicht, Allergien und andere moderne Gesundheitsprobleme. Das Wertvollste am Kombucha sind deshalb die lebenden Bakterien und Hefen, die unser Darmmikrobiom bereichern. Deshalb ist es vor allem sinnvoll, Kombucha mit lebenden Bakterien zu trinken.

Damit unmittelbar verknüpft sind die organischen Säuren, die die Essigbakterien bilden. Glukonsäure und Glukuronsäure unterstützen den Körper bei der Entgiftung. Essigsäure bremst Problemkeime und ernährt die Darmschleimhaut. Die Wirkstoffe im Tee, Vitamine usw. runden die Wirkung ab.

Erfahrungswissen und die »Experten«

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen schreibt »Das Teegetränk Kombucha wird als „Lebenselexier“ und Heilmittel für nahezu alle Krankheiten angeboten. Wissenschaftlich nachgewiesen sind die angepriesenen Wirkungen jedoch nicht.« Der Artikel basiert auf einer älteren Veröffentlichung, die Kombucha beschreibt als »unbedenkliches Erfrischungsgetränk, wobei der Gehalt an Alkohol, Koffein und ggf. Zucker beachtet werden muss. Seine gesundheitlichen Wirkungen sind mit denen anderer fermentierter Lebensmittel, wie Sauermilchprodukten, vergleichbar, deren Mikroorganismen positiv auf die Darmflora wirken können.« (Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen) Diese Zitate beinhalten die typischen Aussagen über Kombucha, wie sie in Online-Artikeln leider ungeprüft weiterverbreitet werden. Ein paar Erklärungen dazu …

Der Gehalt an Alkohol und Zucker wird auch von industriellem Apfelsaft erreicht, der als »alkoholfrei« und »ohne Zuckerzusatz« deklariert wird. Der Zucker- und Alkoholgehalt im Kombucha lässt sich im Übrigen gut steuern.

Der Gehalt an Koffein bewegt sich bei rund der Hälfte des verwendeten Tees, denn die Bakterien bauen auch das Koffein teilweise ab.

Die gesundheitlichen Wirkungen mit denen von Sauermilchprodukten zu vergleichen, ist für pasteurisierte Kombucha-Getränke noch akzeptabel. Kombucha mit lebenden Bakterien und Hefen ist diesen deutlich überlegen.

Warum positionieren sich offizielle Stellen gegen eine bewährte und kostengünstige Möglichkeit der Mikrobiompflege?

Zunächst sind Verbraucherzentralen, auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), keine unabhängigen Institutionen, sondern Vereine, die wesentliche Finanzmittel aus der Industrie erhalten. Aufgrund dieser Interessenskonflikte sind sie also grundsätzlich ungeeignet als Informationsquellen.

Dann gab es tatsächlich über Jahrzehnte kaum Forschungen über Kombucha. So ist vieles nicht wissenschaftlich bearbeitet worden. Das hatte nicht etwa damit zu tun, dass man schon alles wüsste. Nicht geforscht wird primär, wenn die Gewinnerwartungen zu gering sind. Als typisches Selbermach-Produkt waren damit eben nur sehr moderate Gewinne zu erzielen. Kombucha war das Geschäft von Kleinunternehmen. Erst seit einigen Jahren entsteht ein Kombucha-Trend und seitdem wird auch eifriger daran geforscht.

Indem man Dinge nicht erforscht, bleiben sie unwissenschaftlich. Damit kann man diese Dinge dann als wissenschaftlich nicht erwiesen vom Markt drängen. Dabei ist es für die Wirksamkeit unerheblich, ob es wissenschaftlich bewiesen ist. Doch die Weißkittelgläubigkeit in Europa treibt hier täglich neue Blüten.

Kombucha als Mikrobiompflege

Mit dem Genuss von unerhitztem Kombucha nimmt man Bakterien und Hefen auf. Hefen sind bekannt dafür, dass sie das Immunsystem stimulieren können. Die Essigbakterien ergänzen das Darmmikrobiom und schaffen ein günstiges Milieu für andere hilfreiche Bakterien. Kombucha ist also ein Probiotikum. Wesentlich für diesen Effekt ist allerdings, dass man Kombucha mit lebenden Mikroben nimmt.

Die Essigsäure im Kombucha ist eine kurzkettige Fettsäure (SCFA). SCFA dienen der Darmschleimhaut und anderen Organen als Energiestoff. Ein besser ernährter Darm ist letztlich widerstandsfähiger. Essigsäure wirkt auch einer Fehlbesiedelung des Darms entgegen. Die ebenfalls gebildete Glukuronsäure hilft bei der Entgiftung. Eine große Zahl an Toxinen wird mittels Glukuronsäure wasserlöslich gemacht, so dass sie mit dem Urin ausgeschieden werden können.

Insgesamt wirkt Kombucha also stärkend auf den Darm und das Darmmikrobiom und verbessert die Entgiftung. Aus der zentralen Funktion des Darmmikrobioms und der kurzkettigen Fettsäuren für die Gesundheit erklären sich auch viele glaubhaft berichtete Heilwirkungen. Auch wenn es sich dabei um Einzelfälle handeln mag, so zeigen sie dennoch auf, dass unerhitzter Kombucha einen substanziellen Beitrag zur Gesundheit leistet.

Kombucha und Leistung

Der Sommer steht wieder vor der Tür. Wer in dieser Zeit anstrengende Aktivitäten wie Feldarbeit oder Bauarbeit leistet, braucht regelmäßig eine durstlöschende Stärkung. Bier ist deshalb immer noch beliebt. Anders als das Essigbier der Ägypter sind moderne Biere dafür zu alkoholisch. Samurais sollen sich stattdessen mit Kombucha für ihre Kämpfe gestärkt haben. Was einen Samurai durch die Schlacht bringt, sollte auch heute Leistung und innere Klarheit unterstützen. Kombucha ist also auch ein wunderbarer Begleiter beim Laufen, Wandern und anderen Ausdauersportarten. Dies ist um so empfehlenswerter als bekannt ist, dass das Mikrobiom des Darms über kurzkettige Fettsäuren die körperliche Leistung verbessern kann (vgl. J. Scheiman et al. – Meta-omics analysis of elite athletes identifies a performance-enhancing microbe that functions via lactate metabolism, 2019)

Kombucha für Hochsensible – häufige Fragen (FAQ)

Ist Kombucha bei Hochsensibilität oder Magen-Darm-Problemen überhaupt geeignet?

Viele der Magen-Darm-Geplagten wie auch Hochsensible fragen sich, ob sie überhaupt Kombucha trinken sollten. Gerade auch diesen Menschen empfehle ich das Kombucha-Trinken. Eine instabile Verdauung verlangt nach einer konsequenten Darmpflege. Unverträglichkeiten, Allergien, Abneigungen usw. bringen häufig eine deutlich eingeschränkte Nahrungsmittelauswahl mit sich. Weniger Nahrungsvielfalt bringt weniger Bakterienvielfalt mit sich. Reizzustände im Darm kommen hinzu. Dies bringt längerfristig eine Mikrobiomverarmung mit sich, die den Darm noch anfälliger macht. Da auch Milchsauerprodukte (mit lebenden Kulturen) häufig nicht gut vertragen werden, bietet sich Kombucha als Alternative an. Wenn Sie den Kombucha zu Hause brauen, können Sie die Rezeptur problemlos an Ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen. So können Sie Unverträgliches einfach durch geeignetere Zutaten ersetzen.

Wie viel ist genug?

1 Glas (0,1 – 0,2 l) am Tag, ggf. verdünnt, ist eine gute Durchschnittsdosis. Es gibt jedoch keine Bedenken, gelegentlich auch mehr zu trinken.

Gerade zu Beginn ist ein Glas voll aber vielleicht zu viel, zu sauer oder es besteht eine grundsätzliche Scheu gegen Neues. Setzen Sie sich nicht unter Druck, irgend ein Soll zu erreichen. Hören Sie auf Ihren Körper. Beginnen Sie mit einer Menge, mit der sich Ihr Körper »anfreunden« kann. Das kann auch schluckweise über den Tag verteilt sein oder mal mehr, mal weniger. Besonders nach Sport oder Arbeit empfindet man das Getränk als besonders wohltuend. Morgens nüchtern ist meist ungünstiger. Auch der Säuerungsgrad spielt eine Rolle. Mit etwas mehr Restsüße entspricht der Kombucha den modernen Geschmacksvorstellungen mehr. Dies erreichen Sie mit einer kürzeren Gärzeit.

Kombucha-Brauen zu Hause

Wenn Sie nun auf den Geschmack gekommen sind, finden Sie das Wichtigste zu diesem Thema in meinem Beitrag Kombucha brauen zu Hause.

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Wildkräutersalat https://varzeamilagrosa.com/wildkraeutersalat/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wildkraeutersalat https://varzeamilagrosa.com/wildkraeutersalat/#respond Mon, 11 May 2020 20:34:47 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2716 Wildkräutersalat Im Mai haben Wildkräuter Hochsaison … Junges, Zartes, Duftiges in Hülle und Fülle. Corona hin, Gesundheit her, jetzt ist die beste Zeit, reinzuschmecken in den kulinarischen Reichtum unserer Natur. Ein ideales Einsteigergericht ist der Wildkräutersalat. Das Rezept, die Küchengeheimnisse und die Vision dahinter. Wildkräutersalat   Zutaten 2 handvoll Wildkräuter, ½ Radicchio (alternativ 2 handvoll […]

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Wildkräutersalat

Im Mai haben Wildkräuter Hochsaison … Junges, Zartes, Duftiges in Hülle und Fülle. Corona hin, Gesundheit her, jetzt ist die beste Zeit, reinzuschmecken in den kulinarischen Reichtum unserer Natur. Ein ideales Einsteigergericht ist der Wildkräutersalat. Das Rezept, die Küchengeheimnisse und die Vision dahinter.

Wildkräutersalat

 

Zutaten

2 handvoll Wildkräuter, ½ Radicchio (alternativ 2 handvoll Blattsalate), 1 kleine Orange;

1 – 2 cl natives Olivenöl;

1 cl milder Essig (z. B. Balsamico, hausgereifter Obstessig), 1 – 2 Messerspitzen Meersalz, ½ – 1 Teelöffel Dijonsenf, nach Belieben ½ Teelöffel flüssiger Honig und/oder 1 Spritzer Tamari, ggf. etwas Wasser.

Zubereitung
  • Verlesen und waschen Sie Wildkräuter und Salate. Schneiden oder zupfen Sie sie mundgerecht. Schneiden sie den Radicchio in ca. 6 mm breite Streifen.
  • Schälen Sie die Orange mit dem Messer, vierteln Sie die Frucht und schneiden sie diese in ca. 6 mm dicke Scheiben.
  • Geben Sie die Zutaten in eine Salatschüssel, geben Sie das Olivenöl darüber und wenden Sie alles um, so dass der Salat mit einem dünnen Ölfilm überzogen ist.
  • Rühren Sie nun die Salatmarinade an, schmecken Sie sie ab, mildern Sie sie ggf. mit etwas Wasser ab.
  • Unmittelbar vor dem Servieren wenden Sie den Salat mit der Marinade um.

Küchentechnik erklärt (und Tipps)

Marinade – einmal abschmecken und täglich genießen

Salatmarinade kann man gut auf Vorrat bereiten und in einer Flasche bereithalten. Um den richtigen Geschmack zu finden, müssen Sie die Marinade mit etwas Salat probieren. Nicht bewährt hat hat es sich dabei, in die Marinade Öl zu geben. Das Öl wird vom Essig zersetzt. Auch setzt sich das Öl in der Flasche ab und lässt sich so nur schwer dosieren. Stattdessen kommt das Öl direkt an den Salat.

Das Öl immer an den Wildkräutersalat geben

Geben Sie das Salatöl stets an die vorbereitete Salatmischung. Wenden Sie alles um mit dem Salatbesteck. Die Zutaten sollen einen dünnen Ölfilm bekommen.

So haftet ihre Marinade optimal am Salat. Der Salat schwimmt nicht länger in der Marinade, sondern wird dünn umhüllt davon. Der Profikoch spricht davon, dass ein optimal zubereiteter Salat »trocken« sein soll. Damit ist gemeint, dass sich keine Marinade in der Salatschüssel absetzen soll. Um das zu erreichen, sollte die Marinade eher konzentriert sein und sparsam dosiert werden.

Öl verhindert Oxydation

Geschnittene Salate und Kräuter bräunen rasch an der Luft. Dabei verlieren sie gesundheitlich wie kulinarisch an Wert. Umhüllt man den Salat nun dünn mit dem (Oliven-)Öl, so sperrt man den Sauerstoff aus und bremst so die Oxydation. Der so vorbereitete Salat kann dann sogar über Nacht im Kühlschrank bleiben. Anderntags ist der Wildkräutersalat immer noch eine knackige Stärkung, z. B. für unterwegs (Marinadefläschen extra mitnehmen).

Der Wildkräutervorrat

Kaum jemand hat Zeit, täglich frische Kräuter zu sammeln. Ihre frischen Wildkräuter können Sie jedoch bevorraten. Verlesen, gewaschen und noch feucht halten sie im Kühlschrank 2 – 5 Tage. So kann man von einem Sammelausflug fast eine ganze Woche lang zehren.

Schützen, was man essen will! – die Vision dahinter

Es gibt über 1000 essbare Wildpflanzen in Mitteleuropa. Das ist ein unerschöpflicher Fundus, aus dem Sie Ihre persönlichen Favoriten wählen können. Nicht nur Wiesenkräuter sind von Wert. Auch Laubaustrieb und Blüten diverser Bäume und Sträucher sind schmackhaft. Linde, Birke, Buche, Ahorn und andere mehr sind salattauglich … und eine hygienische Alternative an Orten, die von Hunden frequentiert werden. Gehen Sie also erhobenen Hauptes und offenen Auges durch die Landschaft.

Freilich müssen Sie kennen, was Sie sammeln. Grünes Wissen, achtsam mit der Natur umgehen und die Grundregeln der Wildsammlung beachten gehören selbstverständlich dazu. In unserem Buch Ernährung für Hochsensible (Gräfe und Unzer, 2019) widmen wir ein ganzes Kapitel diesem Thema. Noch mehr dazu finden Sie bei Steffen Guido Fleischhauer.

Wildkräuter sind ein Weg, wieder einen persönlichen Bezug zu den Lebewesen, den Landschaften und dem Leben insgesamt zu bekommen. Sie sind der Schritt aus der Supermarktöde, hinein in eine kulinarische Vielfalt. Wildkräuter sind der Weg, wie Sie auch mit kleinster Kasse an die unerlässlichen Stoffe und wertvollen Bakterien kommen. Und … Unkraut vergeht nicht!

Doch was ist, wenn das alle machen!?

Eben diesen Tag wünsche ich von Herzen herbei, denn dann werden wir eine große Bewegung haben, die verpilzte Agrarwüsten wieder zurückverwandelt in artenreiche Biotope. Viele Communities werden dann Flächen in Arbeit genommen haben, um sich mit Kräutersammlung aus gesunden Biotopen zu versorgen. Wenn Sie selbst Bäume und Kräuter pflanzen und ernten, leisten Sie dabei weit mehr fürs Klima als irgendwelche Die-Politik-solls-richten-Aktionen. Taten sind letztlich lauter als Worte.

Und ganz allmählich tauchen wir dabei wieder ein in ein Bewusstsein, wie wunderbar die Natur für uns sorgt.

 

Unser Obstwiesenprojekt ist uns Wildkräuter-Heimat, Klimaprojekt und Krisenantwort. Was ist Ihr Projekt?

 

 

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Schimmel und Getreide – ziemlich beste Freunde https://varzeamilagrosa.com/schimmel-und-getreide-ziemlich-beste-freunde/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=schimmel-und-getreide-ziemlich-beste-freunde https://varzeamilagrosa.com/schimmel-und-getreide-ziemlich-beste-freunde/#comments Thu, 30 Apr 2020 22:13:07 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2707 Schimmel und Getreide – ziemlich beste Freunde Wo es Getreide gibt, gibt es auch Schimmel. Bereits auf dem Acker werden die Pflanzen von Fusarien und Alternarien befallen. Die moderne Landwirtschaft verschlimmert das Problem noch. Getreide ist deshalb schon bei der Ernte schimmelbefallen. Beim Lagern und Verarbeiten gesellen sich weitere Schimmel hinzu. Eine Schimmelgiftbelastung (Mykotoxinbelastung) ist […]

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Schimmel und Getreide – ziemlich beste Freunde

Wo es Getreide gibt, gibt es auch Schimmel. Bereits auf dem Acker werden die Pflanzen von Fusarien und Alternarien befallen. Die moderne Landwirtschaft verschlimmert das Problem noch. Getreide ist deshalb schon bei der Ernte schimmelbefallen. Beim Lagern und Verarbeiten gesellen sich weitere Schimmel hinzu. Eine Schimmelgiftbelastung (Mykotoxinbelastung) ist deshalb unvermeidbar bei getreidehaltigen Kostformen. Verschiedene Erkrankungen wie Histaminintoleranz, Reizdarm und Glutensensitivität zeigen eine direkte Verbindung zur Mykotoxinbelastung. Eine Zusammenstellung wesentlicher Erkenntnisse.

Schimmel und Getreide – ein Paar, so alt wie der Ackerbau

Schon im pharaonischen Ägypten gab es große Probleme mit der Getreideernährung. Allzu oft folgten den sieben fetten Jahren magere Jahre. Deshalb wurde auch verschimmeltes Getreide gegessen mit teils drastischen Folgen. So sehen Forscher in der 10. Plage Ägyptens (alle Erstgeborenen starben) heute eine Massenvergiftung durch schimmelbelasteten Weizen. Weil Erstgeborenen traditionell die größten Weizenmengen zugestanden wurden, waren sie besonders stark betroffen. Die Kinder dürften dabei an und mit Kwashiorkor gestoben sein. Zwar gilt die Erkrankungsursache als nicht geklärt, doch ist der Zusammenhang mit Schimmelgiften (Mykotoxinen) offenkundig.

Auch in anderen Regionen begleiten seltsame Erkrankungen die getreideessenden Kulturen seit jeher. In Europa grassierte das Antoniusfeuer (Ergotismus) durch Mutterkornpilze in Roggen und Weizen. Asien litt unter Beriberi durch Reispilze, Südeuropa unter Pellagra durch Maisbrandpilze. In Europa sind echte Mykotoxikosen selten geworden. Doch sind diese Erkrankungen umgeben von einem Gespinst von Verbindungen in alle Richtungen. Wir sind üblicherweise deutlich geringeren Giftmengen ausgesetzt. Dadurch sind die Wirkungen noch weit schwerer zuzuordnen.

Warum ist Schimmel im Getreide?

Moderne Landwirtschaft – verpilzte Äcker

Wie grundsätzlich das Problem tatsächlich ist, sollen folgende Überlegungen zeigen.

Fusarien und Alternarien sind Bodenpilze, die dem Getreide folgen. Sie geben vom Boden aus ihre Sporen während der Getreideblüte ab. So werden bereits die Keimanlagen der Getreidekörner infiziert. Der Schimmelpilz wächst auf dem Getreidekorn. Bei der folgenden Aussaat wird der Pilz dann mitausgesät. Fungizide und Saatgutbeizen sollen dies verhindern; sichtlich mit geringem Erfolg. Vor allem die im Boden befindlichen Fusarien werden nicht erreicht.

Bodenbakterien und Kleinstlebewesen würden die Bodenpilze durchaus begrenzen. Doch die Herbizide schädigen dieses Bodenleben massiv. Wenn das Mikrobiom des Ackers entgleist, durchsetzen Pilze den Boden. Die Dynamik hat große Ähnlichkeit mit dem Geschehen im Darm. Durch eine mehrjährige Fruchtfolge würde sich der Pilz im Boden ebenfalls wieder reduzieren. Doch baut ein Getreidebauer heute kaum noch etwas anderes an als eben Getreide. Seine postmodernen »Agro-Panzer« wollen schließlich bezahlt werden. So folgen Weizen und Gerste auf Mais und dann wieder Getreide. So breiten sich die Pilze im Boden aus und die Getreidepflanzen nehmen bereits aus dem Ackerboden Mykotoxine auf.

Moderne Hybridsorten sind deutlich niedriger als alte Landsorten. Dies verspricht mehr Standfestigkeit. Je näher die Ähren jedoch dem Boden kommen, um so mehr sind sie den Sporenwolken der Bodenpilze ausgesetzt. Diese Hybridsorten bilden zudem keine Pollenwolken mehr, die die Sporen teilweise abfangen würden.

Mykotoxine – gut verwaltet

Wie eingangs erzählt, wird das Getreide bereits auf dem Feld von »Feldpilzen« befallen. Die Getreidepflanzen nehmen schon auf dem Feld Mykotoxine auf und lagern diese ein. Zudem bildet sich auf den  Getreidekörnern ein Schimmelrasen. Beim geernteten Getreide ist dieser Pilzbefall kaum erkennbar. Bei leichterem Befall sehen Getreidekörner völlig normal aus. Nur bei starkem Befall entstehen Schmachtkörner oder Brandkörner. Zwar wird in den Mühlen dieser sogenannte »Schwarzbesatz« reduziert – reduziert, nicht eliminiert. Doch sind ja auch die scheinbar gesunden Körner belastet. So landet schließlich doch eine Menge Schimmelgift in Mehl und Brot. Auch im Brot ist der Schimmel unsichtbar. Zumindest bis das Brot nach wenigen Tagen schimmelt ohne erkennbaren Grund.

Zwar gibt es prinzipiell eine Mykotoxin-Höchstmengenverordnung. Diese Verordnung erfasst jedoch nur zwei handvoll Schimmelgifte, wovon die meisten jedoch im Getreide vorkommen. Man ist sich also auch in den Gremien des Problems an sich bewusst. Aber man bleibt industriegerecht zurückhaltend. Die Verordnung erfasst auch keine maskierten Mykotoxine. Dabei sind diese verzuckerten Mykotoxine vermutlich die Verbindung zu Reizdarm und Glutensensitivität. Die Mykotoxin-Höchstmengenverordnung schützt uns letztlich nicht.

Für Futtergetreide gibt es ohnehin nur Richtwerte. Deshalb ist die Schimmelbelastung im Tierfutter so hoch, dass Züchter inzwischen Mykotoxinbinder beimischen müssen.

Neben den Pilzgiften (Mykotoxine) bilden Schimmel auch biogene Amine wie Tyramin und Histamin. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag Tyraminintoleranz sowie im Beitrag Schimmel im Essen – zwischen Edel und Ekel.

Sonderstellung Dinkel?

Schon Hildegard von Bingen empfiehlt den Dinkel als bestes Getreide. Viele Darmempfindliche stimmen ihr zu. Dabei ist Dinkel doch hoch glutenhaltig und außerdem eine Weizenart.
Auch die glutenfreien Getreide Hirse, Reis, Hafer gelten als geeignet bei Darmproblemen.
Hingegen überzeugt der glutenfreie Mais im Praxistest nicht so recht. Die Bekömmlichkeit ist Schwankungen unterworfen. Und ein Blick nach Mexiko lässt ohnehin Böses ahnen. Die Bevölkerung dort ist Weltmeister in Adipositas und Diabetes. Doch warum ist das so?

Als erste Lösung fällt Gluten ins Blickfeld. Seit Jahren wird die Glutensensitivität für Reizdarm und diverse andere Krankheitsbilder diskutiert. Und tatsächlich geht es Betroffenen oft besser mit einer glutenfreien Kost. Besser ja, … aber nicht wirklich gut! Und auch in ernsthaften Untersuchungen sacken die luftig-glutenfreien Versprechungen immer wieder zusammen. Man findet keine ursächliche Verbindung.

FODMAPS

Deshalb sind weitere Lösungsversuche wie die FODMAP-Diät entstanden. Eine treue Gemeinde von Darmempfindlichen verweist auf Erfolge mit der FODMAPS-Diät. Das Konzept klingt schlüssig: nicht vom Dünndarm aufgenommene Zucker werden von Bakterien zersetzt und machen Gärungserscheinungen. Tatsächlich bessert sich das Bild, sobald man sich an die Empfehlungen hält. Doch gibt es auch hier allerlei Inkonsistenzen. Zunächst fällt auf, dass die zu meidenden Nahrungsmittel bereits in so geringen Mengen Beschwerden machen, dass dies mit einer Zuckervergärung nicht zu erklären ist. So reagiere ich selbst – auch Klienten – selbst auf Inulinzusätze in Medikamenten. Gasbildung spielt dabei keine Rolle. Die Beschwerden werden eher als krampfartig beschrieben.

Das fehlende Bindeglied sind maskierte Mykotoxine. Pflanzen entgiften Mykotoxine, indem sie sie in Zucker einbetten. Die entstehenden Glykoside kennen wir als FODMAPs. Bei der Verdauung im Dickdarm werden die Mykotoxine dann wieder freigesetzt. Mit Standard-Labortests werden diese verzuckerten Mykotoxine nicht erfasst. So greift auch die Höchstmengenverordnung nicht. (Franz Berthiller – Chapter 1: Introduction to masked mycotoxins

Was die Bekömmlichen eint

Was den Dinkel tatsächlich mit Hirse, Reis und Hafer eint, ist der Spelz. Die moderne Landwirtschaft setzt aus Kostengründen auf Getreide, bei denen sich Vor- und Deckspelz nicht über dem Korn schließen (Nacktgetreide). Bereits beim Dreschen fällt das Korn aus den Spelzen. Beim Spelzgetreide ist das Korn hingegen im Spelz quasi einzelverpackt. Es muss nachträglich entspelzt werden. Jedoch wird dabei auch der Schimmelaufwuchs mitentfernt. Die Mykotoxinbelastung ist dadurch erheblich geringer. Professor H.-M. Müller hat diesen Zusammenhang bereits 1991 dargelegt.

Beim Hafer gibt es inzwischen neben den Spelzformen auch Nackthafer. Und ja, Hafer gehört mit Mais zu den »Wackelkandidaten« in der Liste der Bekömmlichen. Mal werden sie vertragen, mal nicht. Allgemein wird das den Glutenkontaminationen angelastet. Doch auch mit »glutenfreiem Hafer« bessert sich das Bild nur bedingt.

Und wie ist das mit Buchweizen und Amaranth? Nun, Amaranth und Buchweizen sind gar keine Getreide. Zudem hat Buchweizen ebenfalls eine Hülle.

Wider den Schimmel

Schon lange haben Anthropoarchäologen berichtet, dass die Lebenserwartung beim Übergang einer Kultur auf den Getreideanbau jeweils massiv zurückgegangen ist. Im Laufe der Generationen haben die Menschen jedoch Strategien erprobt, um das Getreide bekömmlicher zu machen. Neben Feuer und Mühlstein spielten Hefen und Bakterien alsbald eine zentrale Rolle.

Ob im Sauerteig oder im Bier – Hefen und Bakterien bauen verschiedene Problemstoffe im Getreide ab, darunter auch Schimmelgifte. Bakterien sind auch hier die natürlichen Gegenspieler der Schimmelpilze. Aus diesen Beobachtungen entstand über Generationen die Kunst des Brotbackens. Dabei sind sich die Darmempfindlichen einig, dass eine lange Teigführung günstig wirkt. Ein Drei-Stufen-Sauerteig-Brot ist also einem Industriebrot entscheidend überlegen. Übrigens wurden früher auch Hefeteige mit langer Teigführung verarbeitet.

Hingegen bringt Kochen oder Backen keinen Vorteil, da Mykotoxine und biogene Amine weitgehend hitzefest sind.

Strategien für Darmsensible

Nun lassen sich Mykotoxine nicht ganz vermeiden, insbesondere nicht, wenn man Getreide in die Kost integriert. In aktuellen Internetbeiträgen wird empfohlen, Bentonit einzunehmen. Aus Studienergebnissen mit Tieren lässt sich ablesen, dass Bentonit nur Aflatoxine binden kann.

Hingegen gelten Produkte mit Glukomannan als breit wirksam. Glukomannan ist unter anderem in Aloe und Konjak enthalten. Auch Pektine und Pflanzenfasern binden Mykotoxine.

Eine ballaststoffreichere Kost bringt also auch hier eine Entlastung. Sowohl die Bindekapazität der Fasern und Quellstoffe nützt hierbei als auch die Entgiftung durch die Darmbakterien. Sogenannte Leberreinigungen und Darmsanierungen verfehlen den Zweck, da resorbierte Schimmelgifte teils über die Galle ausgeschieden werden, dies jedoch über einen längeren Zeitraum geschieht.
Bereits entstandene Schäden durch Mykotoxinbelastungen erfordern daher ein breiter aufgestelltes Konzept.

Seit Jahrzehnten wird über die Ursachen von Reizdarm, Prämenstruellem Syndrom und anderen Erkrankungen gerätselt. Dabei ist es nur naheliegend, die Wirkung von Schimmelgiften, Pilzallergenen und biogenen Aminen in die Konzepte miteinzubeziehen. Und natürlich auch auf die negativen Auswirkungen dieser Toxine auf das Darmmikrobiom (=Darmflora) zu achten.

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Schimmel im Essen – zwischen Edel und Ekel https://varzeamilagrosa.com/schimmel-im-essen-zwischen-edel-und-ekel/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=schimmel-im-essen-zwischen-edel-und-ekel https://varzeamilagrosa.com/schimmel-im-essen-zwischen-edel-und-ekel/#respond Wed, 29 Apr 2020 18:37:02 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2695 Schimmel im Essen Teil 1 – zwischen Edel und Ekel Eine grüne Insel auf der Marmelade, ein weißer Puderfleck an der Zitrone, ein grauer Flaum auf den Beeren – daran denken wir beim Stichwort Schimmel im Essen. Doch der meiste Schimmel ist »unsichtbarer Schimmel«. Er steckt im(!) Essen, nicht auf dem Essen. Für viele von […]

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Schimmel im Essen

Teil 1 – zwischen Edel und Ekel

Eine grüne Insel auf der Marmelade, ein weißer Puderfleck an der Zitrone, ein grauer Flaum auf den Beeren – daran denken wir beim Stichwort Schimmel im Essen. Doch der meiste Schimmel ist »unsichtbarer Schimmel«. Er steckt im(!) Essen, nicht auf dem Essen. Für viele von uns beginnt deshalb schon ein ganz normaler Tag mit schimmelbelastetem Essen. Im Brötchen und im Morgenkaffee, im Schokoaufstrich und in der Milch … überall stecken Schimmel und Schimmelgifte. In diesem ersten Teil fasse ich die Grundinformationen rund um Schimmel in Nahrungsmitteln zusammen. Ein zweiter Teil über die Beschwerden und Möglichkeiten folgt in Kürze.


Schimmel wirkt vierfach schädlich

… durch Schimmelgifte (Mykotoxine)

Der Gehalt an Mykotoxinen schwankt deutlich in Abhängigkeit von Anbaubedingungen, Schimmelpilzarten, Nahrungsmittel, Verarbeitungsbedingungen und Lagerung. Etwa 20 Mykotoxine kommen häufiger in Nahrungsmitteln vor. Dabei sind hierzulande besonders Getreide, Kaffee, Kakao, Gewürze, Nüsse, Erdnüsse, Trockenfrüchte häufig belastet. Mykotoxine werden im Darm rasch resorbiert und entfalten eine komplexe Giftigkeit.

… durch maskierte Schimmelgifte (Maskierte Mykotoxine)

Wenn Pflanzen Schimmelgifte aufnehmen, dann entgiften sie diese, indem sie sie in Zucker einbetten. Ein Teil der Schimmelgifte liegt deshalb als Glykoside in der Nahrung vor – als »maskierte Mykotoxine« bezeichnet. Werden die Glykoside im Dickdarm verdaut, werden die Mykotoxine wieder freigesetzt.  Die dabei beteiligten Zuckerstoffe sind die FODMAPS. Diese Zuckerstoffe führen bei Darmempfindlichen regelmäßig zu Problemen. Bislang wird dies auf die Wirkung der Zucker zurückgeführt. Tatsache ist jedoch, dass in den FODMAPS Mykotoxine enthalten sind. Meine Praxisbeobachtungen decken sich weit mehr mit den erwartbaren Mykotoxinwirkungen als mit Wirkungen durch Zucker.

… durch biogene Amine

Schimmel zersetzen auch Eiweiße zu biogenen Aminen. Besonders Histamin und Tyramin werden gebildet. Deshalb fallen auch die Edelschimmelkäse durch hohe Tyramingehalte auf. Migräne, Kopfschmerz, Magen-Darm-Probleme können davon ausgelöst werden. Mehr zu diesem Aspekt finden Sie im Beitrag Tyraminintoleranz

… durch Allergene

Schimmelpilzallergien werden allgemein als Allergie gegen Schimmelsporen in der Luft (Inhalationsallergie) aufgefasst. Häufig kommt es dann auch zu Reaktionen auf Schimmel im Essen. Doch ist auch eine direkte Sensibilisierung möglich. Da biogene Amine und Mykotoxine zusätzlich Allergien provozieren, kommt es bei entsprechender Neigung relativ rasch zu allergischen Reaktionen.

Schimmelgifte (Mykotoxine)

Mykotoxine sind vor allem chronisch giftig. In den Dritte-Welt-Ländern leiden ganze Bevölkerungsschichten an Erkrankungen durch Schimmel im Essen. In Westafrika stirbt z. B. jeder 10. Mann an Leberkrebs durch Aflatoxine. Kinder leiden an Kwashiorrkor und Auszehrung durch Schimmelgifte. Auch Beri-Beri, Pellagra, Alimentäre Toxische Aleukie (ATA) und weitere Erkrankungen sind inzwischen als Schimmelgifterkrankungen (Mykotoxikosen) erkannt worden. Dank der Mykotoxin-Höchstmengenverordnung bleiben uns solche Verhältnisse erspart.

Allerdings entschwindet uns durch eben diese Verordnung einmal mehr der Schimmel aus dem Blick. »Das Erkennen der Schadwirkungen durch Mykotoxine ist schwierig, da selten typische Erkrankungsbilder ausgelöst werden und chronische Leistungs- und Gesundheitsdepressionen dominieren.« (Länderübergreifende Zusammenarbeit der Landesanstalten für Landwirtschaft – Schimmelpilze und Mykotoxine in Futtermitteln).

Grundsätzlich gelten Mykotoxine als abwehrschwächend, nieren-, nerven- und lebergiftig sowie allergisierend, teils auch krebserregend. Zearalenon (ZEA) wirkt zudem wie Östrogen. Auf höhere Mykotoxingehalte reagieren Tiere mit Durchfall, Infektanfälligkeit, Fortpflanzungsstörungen, Wachstumsstörungen, Nierenschäden uam. Probleme durch niedrige Mykotoxinbelastungen werden in der Pferde- und Schweinehaltung näher beschrieben, so dass man die Wirkungen auf den Menschen abschätzen kann.

Derzeit wird ja so getan, als ob es Probleme durch die Mykotoxin-Höchstmengenverordnung nicht gäbe. Dabei äußern sich diverse Experten seit Jahrzehnten kritisch über die Belastungssituation weltweit. Inzwischen beziehen wir große Teile unseres Essens aus warmen Ländern. Eine Testung findet nur auf wenige Mykotoxine statt. Maskierte Mykotoxine werden gar nicht erfasst. Dadurch ist wesentlich mehr Schimmelgift in unserem Essen als tolerierbar. Dies wird sich künftig weiter verschärfen durch Globalisierung, Klimawandel und moderne Anbaumethoden.

Denken Sie an Mykotoxine bei

  • Reizdarm / Reizmagen
  • krampfartige Magen-Darm-Störungen
  • Unverträglichkeit gegen Speisepilze
  • Tyraminintoleranz
  • Histaminintoleranz (HIT)
  • Intoleranz gegen Weizen während Dinkel (einigermaßen) vertragen wird
  • Glutensensitivität
  • chronischer Eisenmangel
  • Prämenstruelles Syndrom
  • Zyklus- und Fruchtbarkeitsstörungen, Unfruchtbarkeit
  • Schwellungen der weiblichen Geschlechtsorgane
  • Eierstockzysten
  • deutlich wechselnde Bekömmlichkeit von Speisen
  • deutlicher Widerwille, Allergie oder Intoleranz gegen Problemnahrungsmittel wie
    • Hefe und Speisepilze (vermutlich durch Kreuzreaktionen)
    • Käse, besonders Schimmelkäse
    • Milch und Milchprodukte
    • Schokolade
    • Kaffee
    • Pfeffer
    • Rooibush
    • Oliven
    • Eier und Geflügelfleisch (vermutlich durch Carry-over aus Getreide)

Wie kommt der Schimmel ins Essen?

Schimmel in Nahrungsmitteln ist ein weltweites Problem. Schimmelpilze bilden sehr dauerhafte Sporen, die sich über die Luft verbreiten. Nahrungsmittel in dichtschließende Gefäße zu geben kann also helfen, Sporen zu verhindern. Doch sobald es etwas feucht, ausreichend warm ist, und etwas Sauerstoff vorhanden ist, keimen die Sporen im Nahrungsmittel aus. Entsprechend kann auch gut Verpacktes schimmeln.

Schimmelpilze können so einiges verwerten. Doch hat jeder Schimmel auch seine eigenen »Ernährungsvorlieben«. Dadurch gibt es für jedes Nahrungsmittel typische Schimmelarten. So befällt der Grauschimmel (Botrytis cinerea) gerne Früchte wie Tomaten, Erdbeeren und Trauben; im Allgemeinen bereits auf dem Feld. Im Haushalt werden scheinbar intakte Früchte dann über Nacht matschig-faulig. Auch der Gemeine Brotschimmel (Rhizopus stolonifer) befällt Früchte. Auf dem Brot hingegen gesellt er sich zum Gießkannenschimmel (Aspergillus sp.) und einigen anderen Arten. Die Sporen kommen dabei über das Getreide wie auch über die Brotmaische ins Brot. Schimmelsporen sind sehr widerstandsfähig und überleben das Backen durchaus.

Grundsätzlich unterscheidet man drei Wege, wie Schimmel und ihre Gifte ins Essen kommen.

Primärkontamination

Bereits während des Wachstums befallen Pilze die Pflanzen. So sind Fusarien ein ganz grundsätzliches Problem im Gemüse- und Getreideanbau. (Mehr dazu in Kürze unter Schimmel und Getreide – ziemlich beste Freunde). Auch wenn auf dem Geernteten selbst kein Schimmel erkennbar ist, kann die Ernte dennoch deutlich belastet sein. So findet sich in Brot und anderen Backwaren regelmäßig Ochratoxin A. In Fruchtsäften findet sich Patulin aus angefaulten Früchten. In Erdnussbutter findet sich meist Aflatoxin von angeschimmelten Erdnüssen. Im fertigen Produkt sieht und schmeckt man die Schimmelbelastung jedoch nicht.

Sekundärkontamination

Bei der weiteren Verarbeitung, Lagerung oder beim Transport kann natürlich ebenfalls Schimmel auftreten. Grundsätzlich ist alles Fermentierte/Nassaufbereitete aus warmen Regionen sehr schimmelgefährdet. Durch Feuchtigkeit und tropische Temperaturen ist Schimmel hier ein Dauerthema. So wurden in einer spanischen Studie auch in praktisch allen Kaffees Pilzgifte gefunden.

Ähnliche Probleme gibt es auch bei weißem Pfeffer, Schwarztee, Rooibush-Tee und Kakao.
Bei Kaffee und Kakao beginnt das Schimmelproblem schon bei der (Nass-)Aufbereitung und setzt sich dann auf dem Weg zur Rösterei fort. Nach dem Rösten ist davon natürlich nichts mehr zu schmecken. Auch in der geliebten Schokolade ist vom Schimmel kaum noch etwas wahrzunehmen. Die schädigende Wirkung bleibt natürlich.

Schwarztee und Rooibush werden fermentiert. Dabei werden die Blätter gerollt und breit aufgehäuft, um enzymatische Prozesse in Gang zu bringen. Schwarztee und Rooibush erhalten so ihr typisches Aroma. Natürlich kommt in den feucht-warmen Kräuterlagen auch das Schimmelwachstum in Gang.

Carry-over

Wird Schimmelbelastetes wie Getreide, Ölpresskuchen, Kleie, Silage, an Tiere verfüttert, dann nehmen die Tiere die Mykotoxine auf. Schlachtfleisch, Eier und Milchprodukte sind deshalb auch eine Quelle für Mykotoxine. Leider gibt es für Mykotoxine in der Tierfütterung nur Richtwerte für wenige Mykotoxine. So begrenzen vor allem die Verluste in der Tiermast die Verfütterung von schimmelbelastetem Futter. So bestätigt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, dass insbesondere Schweine betroffen sind von Vergiftungserscheinungen. Nun ist der Mensch dem Schweineorganismus am ähnlichsten von den Haustieren.

Globalisierter Schimmel

Über unser Essen vernetzen wir uns mit weltumspannenden Strukturen. Besonders am Thema Schimmel wird dies deutlich. So haben wir Teil an der Armut anderer Länder über deren verschimmelte Ernten, die schließlich unsere Tiere fressen. Die EU-Kommision sieht die Mykotoxine im Fleisch nur als »unwesentliche Exposition«. Nun führt bereits dieser kleine Teil der Wahrheit bei mir selbst und anderen Personen zu ersten Beschwerden.

Um wie viel bedeutsamer ist also die tägliche Belastung durch konventionelle Backwaren? Als zentrale Herausforderung wird die Verpilzung des Getreides angesehen, ohne dass es Konzepte zur Vermeidung gäbe. Die moderne Landwirtschaft bereitet dem Schimmel schon auf dem Acker den Boden. Durch Herbizide wird die Bodenflora geschädigt. Bakterien und Kleinstlebewesen sind jedoch die wichtigsten Gegenspieler der Schimmelpilze. Durch die Maschinen sind die Landwirte gezwungen, sich immer mehr zu spezialisieren. Eine sinnvolle Fruchtfolge gibt es deshalb kaum noch. Mithin verpilzen die Felder immer mehr und bereits die Böden sind mit Mykotoxinen belastet. Die Pflanzen nehmen die Mykotoxine bereits aus dem Boden auf. Durch die Klimaveränderungen wird sich die Situation weiter verschlechtern (efsa – Mycotoxins and climate – How Europe contributes to global efforts, 2017; Videobeitrag mit deutschen Untertiteln).

Biobauern haben die Schimmelpilze besser im Griff. Doch auch hier gibt es die »Schimmel-Problemzonen« Getreide, Kaffee, Kakao, Tee, Trockenfrüchte, Gewürze grundsätzlich. Was also tun?

Mehr über die Beschwerdebilder und unsere Möglichkeiten in Kürze im Teil 2 sowie im Beitrag Schimmel und Getreide – ziemlich beste Freunde.

 

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Der Cheese-Effekt https://varzeamilagrosa.com/cheese-effekt/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=cheese-effekt https://varzeamilagrosa.com/cheese-effekt/#respond Mon, 13 Apr 2020 21:18:26 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2631   Wenn Käse Bluthochdruck macht – der Cheese-Effekt Als Käseesser-Effekt (Cheese-Effekt) wird eine Wechselwirkung bezeichnet, die durch tyraminreiches Essen hervorgerufen wird, wenn gleichzeitig MAO-Hemmer eingenommen werden. Dabei gelangt Tyramin in den Körper, wo es das Noradrenalin erhöht (indirekter Noradrenalin-Agonist). Die sichtbarste Wirkung dessen ist eine Blutdruckerhöhung. Tyramin ist besonders in Käse, Geräuchertem und Gepökeltem enthalten. […]

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Wenn Käse Bluthochdruck macht

– der Cheese-Effekt

Als Käseesser-Effekt (Cheese-Effekt) wird eine Wechselwirkung bezeichnet, die durch tyraminreiches Essen hervorgerufen wird, wenn gleichzeitig MAO-Hemmer eingenommen werden. Dabei gelangt Tyramin in den Körper, wo es das Noradrenalin erhöht (indirekter Noradrenalin-Agonist). Die sichtbarste Wirkung dessen ist eine Blutdruckerhöhung.

Tyramin ist besonders in Käse, Geräuchertem und Gepökeltem enthalten. Weiter sind Hefeextrakte und Fischmarinaden hoch tyraminhaltig. Auch überreife Avokados, Tomaten, Sauerkraut, Pilze und anderes bringen problematische Mengen dieses biogenen Amins mit sich.

Normalerweise wird das Tyramin bereits im Darm abgebaut durch die Monoaminooxidase A (MAOA) und die Diaminooxidase (DAO). Hemmen nun Medikamente diesen Abbau, so gelangen Tyramin und weitere biogene Amine in den Körper. Dadurch können bereits Mengen, die ansonsten folgenlos bleiben, zu Beschwerden führen. Ausführlicheres zum Thema Tyramin finden Sie im Beitrag Tyraminintoleranz.

Die Monoaminooxidasen (MAOA, MAOB) sind Enzyme mit zentraler Bedeutung für die Steuerung unserer Körperfunktionen. Sie bauen zahlreiche Neurotransmitter ab und ermöglichen so eine effektive Körperkommunikation. Deshalb kann man über die Hemmung dieser Enzyme auch auf Depressionen, M. Parkinson und anderes Einfluss nehmen.

Der Cheese-Effekt – eine Wechselwirkung

Der Cheese-Effekt wurde zunächst beschrieben als Nebenwirkung von MAO-Hemmern (MAOI). Nach dem Genuss von Käse traten Bluthochdruckkrisen auf als Wechselwirkung mit MAO-Hemmern. Neuere Wirkstoffe scheinen insgesamt weniger problematisch zu sein.

Allerdings können Substanzen wie Alkohol, Zigarettenrauch oder Koffein die Problematik wiederum verschärfen. So berichtet das Team um Niels van der Hoeven von einem Fall, in dem es unter Tranylcypromin zu einem Blutdruckanstieg kam in Verbindung mit Kaffeeabusus (10 – 12 Tassen täglich). Im geschilderten Fall gingen die Beschwerden zurück, nachdem der Patient stattdessen entkoffeinierten Kaffee trank.

Der Cheese-Effekt kann jedoch generell auftreten als Folge einer weitgehenden Hemmung der MAO. Dies betrifft auch andere Wirkstoffe. So haben z B. Isoniazid, Procarbazin und Linezolid diesen Nebeneffekt. Bestimmte Flavonoide – enthalten in Früchten und Heilpflanzen – sind milde MAO-Hemmer. Genutzt wird dies z. B. in Johanniskraut-Extrakten. Auch bei der Anwendung bestimmter Rauschdrogen wird eine MAO-Hemmung genutzt. Dazu gehören z. B. Ayahuasca oder auch Amphetamine. Wer also solche Substanzen einnimmt, möge sich der Wechselwirkungen bewusst sein.

MAO und Hochsensibilität / Hochbegabung

Noch nicht näher erforscht ist der Einfluss von MAO-Polymorphismen auf den Cheese-Effekt. Solche Polymorphismen sind der genetische Grund, warum Sie hochsensibel bzw. hochbegabt sind. Wenn Sie also zu diesen Personen gehören, dann sollten Sie besonders sensibel für diese Zusammenhänge sein. Gehen Sie der Frage nach, ob Sie eine Schwäche der Monoaminooxidase A haben.

Der erste Schritt hierbei ist, dass Sie sich Ihre Reaktionen auf biogene Amine allgemein anschauen. Entwerfen Sie eine individuelle Übersicht über die Nahrungsmittel, die Reaktionen bewirken. Entlang solch einer Mindmap können Sie dann abschätzen, welche biogenen Amine betroffen sind und Rückschlüsse ziehen, welche Enzyme geschwächt sind. Vermutlich werden Sie dazu jedoch fachliche Hilfe brauchen. Die biogenen Amine und die abbauenden Enzyme formen doch ein komplexes System, gleich einem großen Mobile.

(Ich trage mich mit der Idee, für solche Funktionen eine App-Lösung zu erarbeiten. Wenn Sie über einschlägige Kompetenzen verfügen, freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme.)

 

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Tyraminintoleranz https://varzeamilagrosa.com/tyraminintoleranz/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=tyraminintoleranz https://varzeamilagrosa.com/tyraminintoleranz/#comments Fri, 03 Apr 2020 16:08:19 +0000 https://ernaehrung-heilen.de/?p=2622 Käse und Kopfschmerz – die Tyraminintoleranz Wer mit unklaren Bauchbeschwerden nach »seiner Intoleranz« sucht, wird spätestens bei der Tyraminintoleranz an sich selbst zweifeln … oder an seinem Heilpraktiker. Nach einem Blick ins Internet habe ich mich nun daran gemacht, dieses »Bauchweh-Thema« verdaulich zu machen für Sie und meine Klienten. Käse macht Kopfschmerz Die Tyraminintoleranz wird […]

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Käse und Kopfschmerz – die Tyraminintoleranz

Wer mit unklaren Bauchbeschwerden nach »seiner Intoleranz« sucht, wird spätestens bei der Tyraminintoleranz an sich selbst zweifeln … oder an seinem Heilpraktiker. Nach einem Blick ins Internet habe ich mich nun daran gemacht, dieses »Bauchweh-Thema« verdaulich zu machen für Sie und meine Klienten.

Käse macht Kopfschmerz

Die Tyraminintoleranz wird mit der Histaminintoleranz (HIT) in einem Atemzug genannt. Das geschieht so konstant, dass selbst Suchmaschinen die beiden Intoleranzen gleichsetzen. Liest man dann Beiträge, dann erfährt man, dass die Tyraminintoleranz sehr selten sei. Dabei gibt es Zahlen zur Häufigkeit (Prävalenz) gar nicht.

Geradezu ein Muss scheint zu sein, dabei über den Cheese-Effekt (Bluthochdruckkrisen durch Käse und Medikamente) zu berichten. Dies ist jedoch eine Medikamentennebenwirkung. Manchen Autoren ist selbst der Unterschied zwischen Intoleranz und Allergie noch unklar. Käse – geschriebener wie essbarer – kann also Kopfschmerzen bereiten.

Auch für mich ist der Diskurs zwischen Fachliteratur und Praxiserfahrung hier ein Weg zwischen Skylla und Charyptis. Das gängige Konzept der Tyraminintoleranz ist nämlich auch noch in sich widersprechend. Es reicht also nicht »gut informiert« zu sein. Es braucht ein Neuordnen der Teile.

Von der Tyraminintoleranz zur Monoaminintoleranz

Zunächst erleichtert eine sinnvolle Bezeichnung das Verständnis. Tatsächlich beruht die Tyraminintoleranz auf einer Schwäche des Enzyms Monoaminooxidase A (MAOA). Die MAOA oxydiert jedoch außer Tyramin eben auch andere Monoamine. Deshalb bewirken diese (Tryptamin, Serotonin, Melatonin, Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin) ebenfalls gleichartige Beschwerden. Daher schlage ich vor, von einer »Monoaminintoleranz« anstelle der Tyraminintoleranz zu sprechen.
Die Beschwerden sind vielgestaltig. Sie reichen von Migräne und Kopfschmerz über anfallsartige Müdigkeit, Juckreiz, Menstruationsbeschwerden, Angstattacken, Magen-Darm-Störungen, Blutzuckerschwankungen, Depressivität, …

Bluthochdruckkrisen durch eine Monoaminintoleranz (=Tyraminintoleranz) sind mir hingegen in über dreißig Jahren Praxis nicht untergekommen. Auch in der Fachliteratur wird dies nur im Zusammenhang mit dem Cheese-Effekt oder Kaffee-Abusus beschrieben.

Solche Bluthochdruckkrisen treten auf, wenn die MAOA weitgehend inaktiviert wird bzw. sehr große Mengen an Tyramin und anderen biogenen Aminen aufgenommen werden. Dieses Geschehen gehört mithin zur Tyraminvergiftung und ist sehr untypisch für die Tyraminintoleranz. (Mehr unter Cheese-Effekt)

Woher kommen die Monoamine

Monoamine sind in Spuren ein ganz natürlicher Bestandteil unserer Nahrung. Sie werden jedoch stark vermehrt durch Verarbeitung und Lagerung. Die gleichen Monoamine werden auch vom Körper erzeugt und dienen unserer Körperkommunikation. Sowohl die körpereigenen als auch die nahrungsbürtigen Amine haben deshalb einen »Informationsgehalt« für unseren Körper. Jedes Zuviel dieser Stoffe verursacht ein »Kommunikations-Chaos«. Damit eine sinnvolle Kommunikation im Körper möglich ist, müssen die Monoamine deshalb systematisch abgebaut werden. Dies leistet die Monoaminooxidase (MAO) und ein paar weitere Enzyme, die demselben Zweck dienen.
Nun gibt es genetisch bedingte Unterschiede (Polymorphismen), die sich in einer unterschiedlichen Abbauleistung zeigen. Von einer geringeren Leistungsfähigkeit der MAOA sind entsprechend alle Monoamine betroffen.

Die weiteren Enzyme sind insbesondere die Diaminooxidase (DAO), die Histamin-N-Methyl-Transferase (HNMT) und die Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT). Insbesondere die DAO ist für die Beschwerden von Bedeutung. Die DAO ist im Darm das Enzym, das neben der MAOA biogene Amine abbaut, darunter auch das Histamin. Dabei baut auch die DAO bevorzugt die anderen Monoamine ab und erst in zweiter Linie das Histamin. Dadurch erhöht sich bei einer Abbauschwäche der MAOA auch die Histaminaufnahme in den Körper. Entsprechend überschneidet sich die Monoaminintoleranz (=Tyraminintoleranz) mit dem Erscheinungsbild der Histaminintoleranz.

Warum kommt es zu Beschwerden bei der Monoaminintoleranz?

Die erste wichtige Enzymbarriere gegen Bioamine aus der Nahrung bilden die MAOA und die DAO in der Schleimhaut des Dünndarms. Was dort nicht abgebaut werden kann, wird über die Pfortader der Leberentgiftung (2. Enzymbarriere) anvertraut. Dort bewirken MAOA und andere Enzyme den Monoaminabbau. Wenn diese zweite Enzymbarriere ebenfalls nicht ausreichend ist, kommt es zu Symptomen, wobei jeder Betroffene ein eigenes Beschwerdemuster hat.

  • Migräne bzw. Kopfschmerzen
  • Durchblutungsstörungen
  • Menstruationsbeschwerden
  • unbestimmte Bauchbeschwerden, insbesondere Druck im Oberbauch nach Mahlzeiten
  • Gichtanfälle, Gelenksschmerzen
  • grundlose Müdigkeit, Leistungseinbrüche
  • Blutzuckerschwankungen
  • Schwankungen der Sehleistung
  • Angstattacken, Depressivität
  • Herzbeklemmung
  • weitere Beschwerden sind möglich

Die Symptome treten jeweils mit einer Zeitverzögerung zur Aufnahme der kritischen Nahrungsmittel auf. So ist die Migräneattacke ein bis zwei Tage nach dem Käse ein typisches Muster. Gelegentlich ist kein zeitlicher Zusammenhang erkennbar. Auch eine Verbindung mit körperlicher Anstrengung oder dem Zyklus tritt auf.

Die Beschwerden überschneiden sich mit denen einer Histaminintoleranz. Dies ist schon allein dadurch bedingt, dass eine Tyraminintoleranz eine Histaminintoleranz nach sich zieht. Auf der Ebene der Symptome allein kann man diese beiden Intoleranzen daher nicht unterscheiden. Die Unterscheidung gelingt durch den detaillierten Abgleich auslösender Nahrungsmittel, Beschwerdemuster, anderer Auslöser. Bestätigt wird der Verdacht durch den Kostversuch.

Unterschiede zur Histaminintoleranz

Folgendes weist eher auf eine Tyraminintoleranz hin:

  • Ananas, Avokados, Mangos, Bananen werden mit zunehmender Reife schlechter toleriert
  • gereifter Käse und Rohwürste machen mehr Beschwerden als Fisch
  • Sensibilität gegen Schimmel in jeder Form (Edelschimmelkäse, luftgetrocknete Salami, Kaffee, Schwarztee, Oliven, Walnüsse, … )
  • auch frischer Thunfisch (Sushi-Qualität) wird eher schlecht toleriert
  • Milchsauerprodukte (Joghurt, Quark, Kefir, …) werden schlecht toleriert
  • es bestehen keine Nahrungsmittelallergien
  • die Beschwerden weisen auf eine Noradrenalinbeteiligung hin

MAO-Hemmer (MAOI)

Die Natur ist vielgestaltig und so gibt es auch hemmende und fördernde Faktoren in diesem Geschehen. Die Schulmedizin setzt MAOA-hemmende Substanzen als Psychopharmaka ein. Auch andere Medikamente und gängige Rauschdrogen wie Amphetamine und Kokain wirken in dieser Weise. Im Alltag begnügen wir uns meist mit deutlich sanfter wirkenden Substanzen wie Koffein, Muskat, Kurkuma, Zigarettenrauch.

Schutzfaktoren gegen Monoaminie

Nach MAO-fördernden Substanzen sucht man vergeblich im WWW. Wissenschaftlich bestätigt ist, dass bestimmte Flavonoide eine verstärkte Bildung von Entgiftungsenzymen im Darm bewirken. Andererseits scheinen einige Flavonoide auch MAOA-hemmend zu wirken.
Daneben gibt es Polyphenoloxidasen (PPO). Diese Enzyme können direkt biogene Amine im Darm abzubauen. Sie kommen in vielen Wildpflanzen vor und bewirken das Bräunen von verletzten Stellen. So ist auch die Bräunung eines angeschnittenen Apfels durch PPOs hervorgerufen. Je schneller und stärker diese Bräunung eintritt, desto mehr bzw. aktivere PPOs sind enthalten. Polyphenoloxidasen sind übrigens hitzeempfindlich.

Übersetzt in Ernährungsempfehlungen heißt dies: stark rote und schwarzrote Früchte wie Kirschen, Wildheidelbeeren oder Aroniabeeren schützen über Anthozyane. Auch Brennnessel und Giersch haben, als Gemüse genossen, einen deutlich spürbaren Schutzeffekt. Auch stark bräunende Nahrungsmittel wie Alte Apfelsorten bzw. Heilpflanzen wie Pestwurz sind unterstützend.

Als kleinen Nothelfer kann ich Ihnen mein Blutwurz Compositum empfehlen. Das Rezept finden Sie in unserem Buch Ernährung für Hochsensible (Gräfe und Unzer, 2019).

Und nun – was esse ich jetzt bei Monoamin-Intoleranz (=Tyraminintoleranz)

Die zielführenden Ernährungsstrategien lauten:

  • Minimieren Sie Monoamine einschließlich Tyramin und Histamin sowie MAO-Hemmstoffe.
  • Meiden Sie alle Nahrungsmittel, die mit Schimmel gereift oder sonstig kontaminiert sind. (Mehr dazu unter Gar nicht edel – Schimmel im Essen)
  • Nutzen Sie die Schutzmöglichkeiten.

Monoamine entstehen vorwiegend aus Eiweißen durch Gärung, Fermentation, Lagerung, Reifung oder Alterung. Besonders problematisch sind dabei alle Produkte mit Schimmelpilzen sowie tyrosinreiche Nahrungsmittel, z. B. Milchprodukte.

Unser erstes Augenmerk gilt deshalb den eiweißreichen Nahrungsmitteln. Besonders monoaminhaltig sind alle Käse, Rohwürste, Schinken, Tempeh, Räucherfisch, Fischmarinaden, Fleisch mit Zartmachern. Im Käse steigen die Werte an mit zunehmender Reife. Käse mit Schimmel haben dabei jeweils höhere Werte.

Auch andere fermentierte und vergorene Nahrungsmittel sind problematisch. Dazu gehören Sauerkraut, Kimchi, Kaffee, Schwarztee, Oolongtee, Kakao und Schokolade. Fermentierte Würzen wie Sojasauce, Hefeextrakte, Miso, Worchestersauce sind ebenfalls zu beachten.

Durch Lagerung und Notreife reichern sich Amine an

Obst und Nüsse werden problematisch, wenn sie länger gelagert wurden. Cashewkerne und Erdnüsse machen auch so öfters Beschwerden. Walnüsse und Kokos sind zudem schimmelanfällig.
Daneben sind es besonders die Importfrüchte und die Nachtschattengewächse, die durch höhere Gehalte auffallen. Dabei erhöht sich der Gehalt, je reifer die Frucht. Dies scheint zu einem guten Teil dem Umstand geschuldet zu sein, dass die Früchte im Herkunftsland halbreif geerntet werden und dann auf dem Transport notreifen. Einen ganz ähnlichen Effekt kennt man von Obst aus dem Klimalager. Obschon das Obst noch sehr gut aussieht, macht es Beschwerden. Das gleiche Obst frisch gepflückt wird hingegen vertragen. Durch Lagerung und Notreife reichern sich Amine in den Früchten an. Auch bei überlagerten Kartoffeln tritt dieser Effekt auf.

Frische ist das Gebot!

Unmittelbar nach der Ernte bzw. Schlachtung ist der Gehalt an biogenen Aminen noch sehr gering. Wenn also ein Fisch aus dem Wasser kommt und geschlachtet wird, enthält er noch kein Tyramin oder Histamin. Legt man diesen Fisch nun in den Kühlschrank, so wird er schon nach wenigen Tagen zur Monoamin-Bombe. Ein Apfel, frisch vom Baum gepflückt, wird noch gut vertragen. Ein gleicher Apfel aus dem Klimalager – obschon ebenso frisch aussehend – macht Bauchschmerzen. (Mehr dazu in Allergie und Apfel)

Bei Fisch und Meeresfrüchten ist es also ratsam, direkt beim Fischer einzukaufen oder auf Tiefkühlware auszuweichen. Bei Obst und Gemüse sind bio-regionale Erzeuger die beste Wahl.

Was bleibt mir denn dann noch?

Monoamine in der Nahrung sind die Boten des Ablebens. Monoamin-Intoleranz sehe ich als eine Botschaft des Lebens, mehr Lebendigkeit und Achtsamkeit in Ihr Essen zu bringen. Und in Ihr Leben insgesamt.

  • Mehr lebendfrische Nahrung
  • Sorgfältigere Herstellung mit weniger Pestiziden
  • Mehr Hygiene – nicht zu verwechseln mit Sauberkeit (Mehr dazu unter Sauberkeit und Hygiene)
  • Sorgfältigere Aufzucht mit hochwertigem Futter
  • Mehr Vielfalt mit Kräutern und Gewürzen
  • Nicht zuletzt mehr Achtsamkeit im Umgang mit sich und den Nahrungsmitteln.

Freilich werden Sie künftig an manchem vorbeigehen, was Sie bisher geschätzt haben. Doch vor allem werden Sie künftig achtsamer wählen. Ja, Sie werden sich durchringen und eine Wahl treffen. Eine Woche Wohlbefinden wiegt stärker als ein Abend mit Rotwein und Käse. Und vielleicht ist ja immerhin ein Abend mit histaminarmem Rotwein ODER Käse möglich.

Wieviel biogene Amine im Rotwein, Käse, Rohschinken etc. enthalten sind, hängt maßgeblich von der Achtsamkeit bei der Herstellung ab. Werden faule Trauben ausgelesen? Welche Weinhefe wurde benutzt? Wird auf Schnellreifeverfahren beim Schinken verzichtet? Mit welchen Käsekulturen wurde der Käse gemacht? Aus welcher Milch? All diese Details machen einen großen Unterschied im Ergebnis.

Das Ziel ist, die Monoamine im Essen auf einen niedrigen Niveau zu halten.

Es geht nicht darum, dem Genuss zu entsagen. Vielmehr geht es darum, für Sie bekömmliche Produkte zu finden. Also »Ihren« Wein, »Ihren« Kaffee, »Ihren« Tee usw. zu finden. Sie werden künftig darauf schauen, wie engagiert und kompetent die Hersteller sind. Sie werden möglichst von bio-regionalen Erzeugern kaufen, über deren tatsächliches Tun und Lassen Sie sich informieren können. Und Sie werden manches selbst machen. Manches kann man nicht kaufen, aber selbermachen. Auch Wildsammlung wird Ihrem Speiseplan Sinnlichkeit und Sinnhaftigkeit geben. Und bitte verwechseln Sie dabei nicht Sauberkeit und Hygiene! (Beitrag in Kürze verfügbar)

Stärken Sie zugleich Ihre Enzymbarrieren durch den regelmäßigen Genuss von Wildkräutern, Wildobst und Gewürzen.

Das ist ein individueller Weg, eben Ihr Weg. Er wird Ihnen einen neuen Blick auf Essen ganz allgemein eröffnen wird. Doch werden Sie sich dabei keineswegs an den Rand der Gesellschaft begeben. Vielmehr werden Sie Menschen mit Herzblut kennenlernen, die schon vorausgegangen sind auf diesem Weg. Trauen Sie sich, mehr Ihrer Natur zu folgen. (Mehr dazu unter Ernährungsautonomie – Beitrag in Kürze verfügbar)

Der Beitrag Tyraminintoleranz erschien zuerst auf Várzea Milagrosa.

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