Pereiras-Gare – Leben im Nirgendwo des Alentejo

Pereiras-Gare – Leben im Nirgendwo des Alentejo

Pereiras-Gare – ein versunkener Ort, mitten im Nirgendwo des südlichen Alentejo. Im Stundentakt fährt die Moderne vorbei – vorbei zu den mondänen Lojas der Algarve und den Finanzplätzen des Nordens. Ein ganz persönlicher Blick auf unsere Wahlheimat.

Einst und jetzt

Noch vor zwei Generationen war Pereiras-Gare voller Leben, so wurde uns berichtet. Der Ort liegt an der wichtigen Bahnlinie Linha do Sul, die Lissabon mit Tunes und Faro verbindet. So rollte hier schon im letzten Jahrhundert der Rapidó durch den Ort. In diese Zeit datiert auch der Neubau des Eisenbahnviadukts Ponte Ferroviária dos Mouratos und das schwere Zugunglück von 1954, zwei Ereignisse, die sich noch heute mit dem Ortsnamen verbinden.

Doch sind die Leute in Pereiras-Gare stets Zaungäste der Moderne geblieben. Die Senhores haben uns davon erzählt, wie sie bereits als Teenies im Straßenbau und in der Landwirtschaft arbeiteten und davon kaum leben konnten. Viele haben schließlich den Zug genommen und ihre Heimat verlassen. Nur wenige sind zurückgekommen. Manche von den Dorfleuten können deshalb noch ein wenig Deutsch.

Der Ort ist allmählich versunken. Irgendwann gab es keinen Arzt und keine Drogaria mehr. Die Gemeinde wurde aufgelöst und gehört heute zu Santa Clara-a-velha. Auch der Regionalzug hält nicht mehr in Pereiras-Gare.

Manche Häuser sind noch gepflegt, andere dämmern einer besseren Zeit entgegen. Das Ortsbild ist geprägt von den Alten, die an der Rua 25 de Abril die Neuigkeiten des Tages diskutieren. Wir haben einen kurzen Film gefunden von 2012 über Pereiras-Gare – População contesta extinção da freguesia. Da war der Ort schon so, wie wir ihn nun vorgefunden haben. Selbst die Autos gab es schon. Alles ist noch ein wenig verwitterter, die Leute sind noch älter geworden. Doch irgendwie steht die Zeit hier still.

Ein alter Pflug

Die Landwirtschaft hat sich längst aus der Region zurückgezogen. Wo einst Weizen im Sommerwind wogte, tupfen nun Wildblumen die Hänge gelb und blau. Und wo die Rinder weideten, hat sich längst der Mato ausgebreitet.

Auch ein rostiger Pflug, der unter den Brombeerdickichten wieder hervorkam, gibt uns noch Zeugnis von dieser Zeit und der Armut im Alentejo. Es ist ein einschariger Pflug, vor den man Esel spannte und von Hand führte. Der Pflug wurde mit den Resten der abgebrochenen Vorgängerbrücke (errichtet um 1889) der Ponte Ferrovíaria dos Mouratos gebaut. Es ist keine wirklich romantische Vorstellung, dass man diesen Pflug offenbar noch vor wenigen Jahrzehnten benutzt hat auf den schweren Lehmböden unserer Herdade.

Vom Tagesgespräch in Pereiras-Gare zur Normalität

In dieser Beschaulichkeit wird jede Veränderung zur aufregenden Neuigkeit. Und so waren wir von Anfang an unter »Beobachtung« der Senhores. Da fuhr schon mal ein Mofa langsam am offenen Tor vorbei … um kurz darauf erneut langsam vorbeizufahren. Manche waren direkter und stellten sich vor. Und sicherlich wurde unser Tun und Nichttun ausführlich diskutiert. Doch wurden wir auch großzügig mit Essbarem aus den privaten Gemüsegärten bedacht und bei diversen Herausforderungen unterstützt. An dieser Stelle ein herzliches Danke an Pereiras-Gare!

Gelebter Minimalismus

Ein entspannter Minimalismus durchzieht das Leben hier. Man spricht noch direkt miteinander. Ein Briefkasten ist sinnlos. Die Post wird nicht zugestellt, sondern auf der Junta da Freguesía abgegeben. Dafür quillt der Briefkasten auch nicht über von Werbeprospekten. Eine Biotonne braucht man ebenfalls nicht. Dafür hat man Hühner oder einen Komposthaufen. Und man benutzt die Dinge, solange sie funktionieren. Ob sie noch so chic wie einst sind, ist nicht so wichtig.

Freilich wird uns hier vor Augen geführt, dass wir in unserer Akkuratesse und Betriebsamkeit doch sehr deutsch sind. Und das werden wir auch nicht sobald ablegen, denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne … und viel Arbeit.