Vom Mato zum Obstgarten – unser Weg mit Permakultur
Am Anfang ist die Brombeerwildnis und der Stacheldraht, das Land ist wüst und wirr, dann will der Mensch Schöpfer sein und die Landwirtschaft der Zukunft erschaffen … ein kritischer Blick auf unseren Weg mit der Permakultur.
Foz das Caveiras – das Land lesen
Um sinnvoll mit Permakultur starten zu können, muss man zunächst das »Land lesen«. Unsere Herdade »Foz das Caveiras« besteht im Südosten aus einer langen Hügelkette mit steilen Südhängen. Zusammen mit den Nachbargrundstücken bilden sie ein Tal. Die Hänge wurden im letzten Jahrhundert noch als Montada genutzt. Eine Montada ist eine Weide mit lockerem Baumbestand. Im Baixo Alentejo sind es zumeist Korkeichen. Heute gibt es hier nur noch den Mato und die wenigen Bäume stecken bis zum Hals im Totholz-Filz der Lackzistrosen.
Entlang des Flusses gab es Felder und einen Obstgarten. Der alte Obstgarten wurde aufgegeben und ist unter den Brombeeren erstickt. Dabei ist diese »Horta velha« einer der fruchtbarsten Bereiche der Herdade. Die mageren Felder wurden hingegen zu ebenso mageren Weiden. Vor etwa 15 Jahren hat der Vorbesitzer dort das Oliven-Projekt begonnen. Sicherlich hat er ebenso viel Elan gehabt wie wir. Doch auch dieses Projekt ist nach und nach aufgegeben worden.
In der Geschichte unserer Herdade spiegelt sich das Abwirtschaften des Landes (Degradation) durch die Landwirtschaft und damit der Niedergang der Landwirtschaft insgesamt. Mehr über die menschliche Seite dieses Niedergangs lesen Sie unter Pereiras-Gare – Leben im Nirgendwo des Alentejo. [Link]
Die Landwirtschaft der Zukunft
Und nun sind wir dran, mit Ökolandbau, Desertfarming und anderen Weltverbesserungs-Ideen eine »Landwirtschaft der Zukunft« zu gestalten. Kann das gelingen? Die Zweifel sind nur zu berechtigt. Denn leider ist die »alternative Landwirtschaft« ein hybrides Wesen aus Weltanschauungen und industriellen Narrativen der letzten 150 Jahre; maßgeblich kreiert von Leuten, die nicht vom Landbau gelebt haben, sondern von der Verbreitung ihrer Ideen. Zwar sind wir beide schon lange genug auf der Erde, um nicht all den Heile-Welt-Geschichten nachzulaufen. Doch sind auch die Fachinformationen mit diesem Weltverbesserungsbrei vermengt. So bleiben wir oft auf unser eigenes Erkennen zurückgeworfen.
Natur oder Kultur?
Eines der grundlegenden grünen Narrative ist, dass unbearbeitetes Land wieder zu Natur wird. Es soll sich quasi von selbst heilen. Dazu wird jedes noch so kümmerliche Grün als Natur bejubelt. Sollte man also überhaupt Gelände rekultivieren?
Unser Land ist so trocken, dass Abgestorbenes nicht verrottet, solange es steht. Es häuft sich über die Jahre an. Und wo nichts vergeht, entsteht auch kein nährender Mulch. Überall tritt entsprechend der sonnengebackene Lehm zutage. Eine Humusschicht gibt es nicht.
Nur Pionierpflanzen wie die Lackzistrose, die Wilde Artischocke oder Brombeeren kommen damit zurecht. Und wir schätzen diese Pflanzen für diese besonderen Fähigkeiten. Doch längst sollten sie den Boden bereitet haben für Folgepflanzen. Längst sollten an ihre Stelle Bäume getreten sein und weit größeren Lebensgemeinschaften Raum gegeben haben. Doch ganz im Gegenteil, das Land degradiert weiter. Selbst die alten Korkeichen können sich kaum noch behaupten.
Permakultur ohne Romantik-Brille
Auch wir geben uns gerne romantischen Naturbetrachtungen hin. Doch wenn wir diese Romantik-Brille abnehmen, ist es nicht zu übersehen, dass dieses Land artenärmer wird usw. Mit den Pflanzen verschwinden auch die Tiere. Selbst nach Jahrzehnten ohne Mensch ist das Land keineswegs auf einem guten Weg, weil der Kreislauf des Werdens und Vergehens unterbrochen ist.
Und weil es inzwischen auf vielen Geländen so aussieht, brennt es Jahr für Jahr im Alentejo. Hitze und Trockenheit der letzten Jahre fachen diese Dynamik zusätzlich an. Mit der Rekultivierung bringen wir die Stoffkreisläufe wieder in Gang. Doch um das tun zu können, muss uns das Land schließlich auch ernähren. Unsere Produkte schaffen also die Grundlage, auf der sich hier wieder artenreiche Biotope entwickeln können … Biotope mit Mensch.
Welch ein ketzerischer Gedanke – braucht das Land am Ende doch auch den Menschen? Dass solche Arvoribiome funktionieren, dafür gibt es überall auf der Welt Beispiele. Jeoff Lawton berichtet zum Beispiel von einem 2000 Jahre alten Agroforst in Marokko.
Gelände freilegen – »Limpeza especial«
Der erste Schritt zur Rekultivierung ist stets die Planung und die Freilegung des Geländes. Beides geht nur zusammen, da so manches Detail erst bei der Freilegung sichtbar wird. Freilich lag man uns in den Ohren, dass man das alles doch ganz einfach mit dem Bagger machen könne.
Das Ergebnis hat uns eines Besseren belehrt. Am Ende war das Totholz mit Brombeeren und Erde aufgehäuft oder im Boden verwühlt. Diese Gemengelage bewirkt vor allem eins – beschädigte Maschinen und reichlich extra Arbeit. So sind wir wieder zur Freilegung von Hand zurückgekehrt. So haben wir am Ende Holz, Biomasse, Steine etc. verwertbar getrennt und wertvoller Pflanzenbestand lässt sich besser bewahren.
Die alten Weidezäune
Der übelste Teil der Rekultivierung ist der Rückbau der alten Stacheldrahtzäune. Ursprünglich dienten sie wohl als Weidezäune. Aber mit dem Müllbewusstsein in Portugal ist das so eine Sache. So bestehen diese Zäune heute aus Totholz, Unrat und Büschen, durchflochten von Brombeerranken und Stacheldraht. Das kann man selbst mit Mulchgeräten kaum noch pflegen. Und so sind die Zäune zu mächtigen Brombeer-Stacheldraht-Dickichten angewachsen, die nun endlich weichen müssen.
Man steht also zunächst stundenlang mit dem Freischneider vor der grünen Barriere. Meter für Meter schält man den eigentlichen Zaun aus dem Brombeermantel. Immer wieder wickeln sich Drahtreste um den Schneidkopf, die man erst sieht, wenn man sich schon darin verfangen hat.
Dann müssen die Zaunreste aus den Brombeerresten hervorgezogen werden. Oft finden sich noch ältere Zäune unter den jetzigen. Und natürlich gibt es auch hier noch mehr Zivilisationsreste aufzuräumen. Stellenweise ist das so, als würde man ein Schlachtfeld räumen. Und natürlich ist man trotz Schutzausrüstung immer irgendwo zerkratzt von diesem »Brombeer-Nahkampf«.
Terraforming
Der zweite große Schritt der Rekultivierung ist die Vorbereitung der Fläche für die Neupflanzung. Ausmessen, abstecken, Gelände formieren, Arbeitswege anlegen, Leitungen verlegen usw. Das ist die große Stunde der Maschinen.
Sobald das Gelände die entsprechende Form hat, muss der Boden vorbereitet werden. Verdichtungen beseitigen, Agrokohle ausbringen, Gründüngung ansäen, … ein arbeitsintensiver Prozess, an dessen Ende schließlich das pflanzbereite Areal steht.
Auch die Schattenbäume werden ausgesucht. Nicht nur uns selbst tut der Schatten der Bäume gut in der Mittagshitze. Auch die Obstbäume werden davon profitieren, wenn hohe Bäume einen luftigen Schirm über sie ausbreiten. Wie wir bereits gesehen haben, geht es Zitrusbäumen im Schatten anderer Bäume deutlich besser als in klassischen Pflanzungen. Daneben werden diese Schattenbäume natürlich all die anderen Vorteile eines Agroforstsystems mitbringen.
Wir sind bemüht, die wenigen vorhandenen Bäume möglichst zu erhalten. Doch brauchen wir am Ende auch Pflanzungen, die wirtschaftlich zu bearbeiten sind. So gehen wir auch mit gewissem Pragmatismus zu Werke. Es müssen ohnehin viele neue Schattenbäume gepflanzt werden.
Keine Swales
Die Idee von »Swales« haben wir fallen gelassen. Diese Regensammelrinnen sind ja ein »heiliger Gral« der Permakultur. Und sie sind sicher hilfreich, um den Regen in den Boden zu bringen auf leicht abschüssigem Gelände. Doch wegen der steilen Hänge werden die Swales hier als tiefe Rinnen gebaut.
Selbst mit einem Weinbautraktor ist nicht in einen solchen Hang zu kommen. Pflegen und Ernten bedeutet also, dass alles zu Fuß gemacht werden muss. In diesen Rinnen am Hang entlang zu steigen ist beschwerlicher als in einem Kartoffelacker zu gehen. Und natürlich müssen dann die vollen Obstkisten bis ans Ende der Pflanzungen geschafft werden, denn Fahrgassen sehen diese Permakultur-Designs nicht vor. Das Ganze den vollen Tag lang. Auch die Grünpflege kann nur von Hand gemacht werden. Das ist nicht bio-romantisch, das ist eine krankmachende Plackerei. Deshalb müssen die Flächen eben auch maschinengerecht geplant werden und das Wassermanagement anders erfolgen. Wie gesagt, wir brauchen Flächen, die wir auch mit gewisser Effizienz bewirtschaften können.
Mit Yuzus, Pomeranzen und Jujube die Zukunft pflanzen
Zur Zeit haben wir drei Areale in Arbeit. Erst im kommenden Jahr werden wir hier auch zur letzten Phase der Rekultivierung kommen – dem Pflanzen. Dabei wird die Anlage von Schutzhecken, Begleitpflanzungen und Schattenbäumen letztlich mehr Aufwand sein als die Fruchtbäume selbst. Doch sollen hier möglichst vollständige Systeme aus Bäumen und Begleitpflanzen entstehen.
Mit der Auswahl der Fruchtbäume haben wir uns bereits das Kopfschütteln eingehandelt von den örtlichen »Experten«. Unsere Bäume werden voraussichtlich erst gegen Ende des Jahrzehnts Früchte tragen. Dafür werden sie uns vermutlich überleben. Wer also Bäume pflanzt, denkt in Jahrzehnten.
Was gestern noch ein Erfolgsrezept war, wird dann längst nicht mehr funktionieren. Die wirtschaftlichen Umwälzungen, die wir gerade erleben, werden die Nahrungsmittelmärkte auf den Kopf stellen. Und am Ende werden die Klimaveränderungen das Ende der modernen Landwirtschaft besiegeln. So wird das Klima noch deutlich trockener und das jetzt übliche Bewässern wird an ein Ende kommen. Klassische Obstpflanzungen werden künftig nicht mehr möglich sein. Nur Pflanzen, die monatelang ohne Regen auskommen, werden dann noch Ernten bringen.
Somit sind wir darauf angewiesen, uns mit unseren Bäumen ein Arvoribiom zu erschaffen – eine Mensch-Baum-Lebensgemeinschaft zu begründen. Das ist so neu gar nicht. So berichtet Jeoff Lawton (Pionier der Permakulturbewegung) über ein solches seit 2000 Jahren funktionierendes Arvoribiom in Marokko.
Zukunftspflanze Feigenkaktus
Eine Sonderstellung nehmen in diesem System die Feigenkakteen – auch Opuntien genannt – ein. Feigenkakteen sind Pionierpflanzen, die mit rohen Böden und monatelanger Trockenheit bestens zurecht kommen. In unseren Pflanzungen sind sie deshalb wichtige Unterstützungspflanzen, die Biomasse liefern für die Mulchschicht. Doch die Opuntien können noch viel mehr, was sie zu absoluten Zukunftspflanzen macht. Mehr darüber, warum wir von diesen Stachelgesellen begeistert sind, lesen Sie in Kürze einem eigenen Beitrag.
Ein Baum bleibt an seinem Platz
Zu einem eigenen Weg gehört ein großes Maß an Selbsttreue. Der Baum wiegt sich im Wind, doch bleibt er an seinem Platz. Nicht jeden Ökotrend mitmachen, nicht jeder German Angst nachlaufen, nicht alles ach so Wissenschaftliche glauben. Schließlich den Mut haben, auch an den eigenen Wurzeln zu rütteln und sich selbst neu zu pflanzen.