Glutenfrei essen – nur trendy oder der Gesundjoker?

Glutenfrei essen – nur trendy oder der Gesundjoker?

Leistungssportler berichten stolz von Wettkampferfolgen dank glutenfreier Kost. Ehemals Übergewichtige präsentieren Ihre Glutenfrei-Schlank-Erfolge im Internet. Unterschiedlichste Erkrankungen werden in Zusammenhang mit Gluten gebracht.

Glutenfrei für alle – ist das der Schlüssel zu Schlanksein, Gesundheit, Vitalität?

 

Glutenfrei ist zur Zeit das Gesundheits-Thema in den USA, wie es scheint. Das Internet quillt über von Videos, die immer wieder dasselbe proklamieren: Gluten macht dick und krank. Was ist dran am „bösen Gluten“?

Ein paar Fakten

Versuchen wir den Einstieg mit Fakten. Schon vor Jahren hat die DZG eine Screening-Studie veröffentlicht. Darin wurde bei 10 % der Probanten Antikörper gegen Gluten festgestellt. Die Bedeutung für die Gesundheit sei unbekannt, resümierten die Forscher damals.  Für 10 % der Bevölkerung stellt Gluten immerhin einen Immunstressor dar in einer Lebenswelt, die uns täglich mannigfach stresst.

Autoimmunreaktionen auf Gluten sind jedoch nur die Spitze des Problems. Weitaus häufiger ist die Nicht-Zöliakie-Gluten-Sensitivität. Manche Autoren berichten inzwischen von diversen verschiedenen Formen. Leider bleiben sie bislang nachvollziehbare Forschungsergebnisse dazu schuldig. Ebenso wenig lassen sich diese Formen mit Labor diagnostizieren.

Ein Stück weiter sind wir bei der inzwischen wissenschaftlich beschriebenen ATI-Intoleranz, die mit zöliakieähnlichen Symptomen auftritt. Einen Test gibt es allerdings auch hier nicht.

Wie viele meiner Klienten, denen es durch eine glutenfreie Kost nun besser geht, ATI-Intoleranzen sind und was noch am Weizenprotein toxisch sein kann bleibt offen. Letztlich sind diese Unterschiede unerheblich, denn der Erfolgsweg ist gleich: glutenfrei essen und die bereits entstandenen Gesundheitsschäden nach Kräften ausheilen.
Die neuen GlutenempfindlichenAußerhalb der Glutensensitiven lässt sich inzwischen eine Gruppe von Klienten ausmachen, für die dennoch glutenfrei essen der Weg zur Gesundheit ist. Es sind insbesondere Menschen mit unterschiedlichen Schmerzen, Autoimmunerkrankungen, Reizdarm und Hochsensible Personen. Daneben profitieren auch Menschen, die dauerhaft oder phasenhaft viel Stress und Anforderung haben von dieser Kost – Menschen „auf der Überholspur“. Dazu gehören wohl auch die meisten Leistungssportler.
Gluten und Hochsensibilität (HSP)Eine Sonderposition nehmen die Hochsensiblen Personen ein. Hier führt Gluten offenbar durch die erniedrigte Reizschwelle zu latenten Entzündungen im Darm und zu vielgestaltigen Beschwerden im ganzen Körper. Auch psychische Beeinträchtigungen treten auf. Gluten als körperlicher Stressor tut ein Übriges zu dem allgemein erhöhten Stressniveau von Hochsensiblen.

 

Unterdiagnostiziert oder neue Krankheit?

War Gluten vor Jahren noch exotisch kommt es uns inzwischen von allen Seiten entgegen. Tritt Glutensensitivität seit einigen Jahren immer häufiger auf? Oder haben wir das Problem bislang einfach nur nicht gesehen? Beides ist wohl richtig. Durch das steigende Bewusstsein werden mehr Menschen diagnostiziert. Und die Intoleranz tritt gehäuft auf, offenbar als als Folge unseres Lebensstils.

Dieses Mehr an Erkrankungsfällen macht einmal mehr deutlich, dass die derzeitige Sichtweise auf Ernährung per se unzureichend ist. Ernährung wird stets als etwas Absolutes dargestellt. Nahrungsmittel sind gesund oder ungesund. Schlucken und fertig!

 

Das Urlaubsparadoxon

Tatsächlich sind Nahrungsmittel unter bestimmten Umständen bekömmlich und unter anderen Umständen unbekömmlich. Der Klassiker ist das „Urlaubsparadoxon“. Glutenempfindliche berichten immer wieder davon, dass sie im Urlaub die Pizza ohne Reue essen können. Kaum Zuhause sind sie wieder von ihren Beschwerden geplagt. Der Schlüssel zum Verständnis ist der Stress.

Und selbstverständlich kann die Glutensensitivität wie auch die Zöliakie in jedem Lebensalter auftreten. Die Betroffenen haben also zum Teil jahrzehntelang Gluten tolerieren können. Greift hier das „genetisch bedingt“ nicht mehr?

 

Ernährung im Spannungsfeld von Leben und Genetik

Unsere Genetik rsp. Epigenetik entfaltet sich eben erst im Zusammenspiel mit lebensbedingten Faktoren. So können bestimmte Vorerkrankungen oder Dauerstress zur Expression von Genen führen. Auch bestimmte Kostformen bewirken Genexpressionession. Unter anhaltendem Stress wird die Toleranz des Darms zunehmend geringer. Auch das Immunsystem verändert sich in der Reaktionsweise. Eine Otto-Normal-Kost bewirkt ein Übriges, denn sie enthält zahlreiche Stressoren. Weniger Stress bedeutet jedenfalls mehr Leistungsreserven. Das berichten auch die Sportler über ihre Glutenfrei-Experimente.

Erst in der Zusammenschau von Genetik – Lebensituation – Ernährung kann „gesund“ oder „ungesund“ definiert werden. Die gesunde Ernährung für alle gibt es nicht.

 

Wann sollten Sie glutenfrei essen – eine Einschätzung

Glutenfrei essen ist unbedingt notwendig bei Zöliakie und Glutensensitivität.

An eine Glutensensitivität einschl. Zöliakie ist zu denken bei

  • unklaren Verdauungsbescherden
  • Reizdarm
  • allen Autoimmunerkrankungen, darunter Diabetes Typ 1, Thyreoiditis Hashimoto, Rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes
  • Schmerzzuständen, darunter Migräne, Kopfschmerz, Muskelschmerzen, Menstruationsbeschwerden u.a.m.
  • Hauterscheinungen, die nicht einer anderen Ursache direkt zuzuordnen sind
  • Übergewicht
  • Untergewicht
  • bei Hasenscharte, Neuralrohrdefekten (hier ist mutmaßlich jeweils auch die Mutter mitbetroffen)
  • Histaminose
  • Fruktoseintoleranz
  • chronischer Eisenmangel

Bitte bedenken Sie – alle genannten Erkrankungen können auch andere Ursachen haben. Gluten als Ursache findet man jedoch nur, wenn man gezielt danach sucht. Zurecht wird die Zöliakie als „Chamäleonkrankheit“ bezeichnet. Die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität ist ebenfalls durch die Formenvielfalt gekennzeichnet. Gerade bei der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität müssen keine Verdauungsbeschwerden vorhanden sein. Ebenso wenig gibt es keine „typischen“ Krankheitszeichen – ein Chamäleon eben.

Wann sollten Sie noch glutenfrei essen?

Wenn Sie eine der folgenden Erkrankungen haben:

  • Autoimmunerkrankungen
  • Reizdarm
  • Rheumatische Erkrankungen
  • Leaky Gut Syndrome
  • chronisch-entzündliche Erkrankungen

Wenn auf Sie folgendes zutrifft:

  • Sie sind hochsensibel (HSP wie beschrieben von A. Aron a.a.o.)
  • Sie ein hohes körperliches Anforderungsprofil haben, z. B. durch Leistungssport
  • Sie „auf der Überholspur leben“

Vielleicht betroffen … und was nun?

Der kürzeste Weg geht über eine gute Einzelberatung, z. B. hier.

Ansonsten empfehle ich Ihnen, ein Ernährungstagebuch zu beginnen und selbst nach Anzeichen Ausschau zu halten. Eine Vorlage für ein solches Ernährungstagebuch finden Sie im Downloadbereich.

Bedenken Sie, dass zwischen der Glutenaufnahme und den Auswirkungen mehrere Tage vergehen können. In manchen Fällen bewirkt nur eine längere Glutenbelastung Beschwerden. Umgekehrt gehen die Beschwerden teils erst nach mehreren Wochen Karenz zurück. Sie müssen auch auf kontaminierte Nahrungsmittel achten als Gluten-Quelle, da bereits solche Kleinstmengen die Beschwerden aufrechterhalten. Nicht immer ist Gluten erkennbar deklariert.