Kleine Küchengeheimnisse für mehr Bekömmlichkeit – Toasten der Saaten
Zuerst: Ein Toast auf die Saaten!
Das Toasten der Saaten ragt über die Ernährung hinaus ins Genießen. Und Genuss beim Essen ist keine Sonntagslaune der Natur oder dekadente Mittelmäßigkeit, sondern eine gelungene Integration von Körper und Bewusstsein. Deshalb ein paar Gedanken über den Genuss getoasteter Saaten, bevor wir zu Küchentechnik und Ernährung gehen.
In meiner Arbeit mit meist hochsensiblen Klienten geht es immer wieder darum Kostformen maßzuschneidern, die ohne ein unangenehmes »Danach« genossen werden können. Auf ein Essen mit Genuss hoffen viele schon gar nicht mehr. Hauptsache keine Beschwerden mehr! Oft genug besteht die Ist-Ernährung nur noch aus einer Art Schonkost, wie wir sie aus Krankenhäusern kennen. Hier wird weich und zerkocht mit reizarm gleichgesetzt. Dass selbst dies nicht funktioniert macht die Betroffenen dann endgültig ratlos. Und hier regnen die getoasteten Saaten als »Funken des Genusses« aufs Essen.
Breie, Suppen, Nudeln, Saucen verleiten zum Einlöffeln und Schlucken. Mit dem mangelnden Kauen und flüchtigen Schmecken kommt die Verdauung jedoch nicht in Gang. Die Säfte fließen nicht, wie man früher sagte. Und damit nimmt die Misere natürlich weiter ihren Lauf.
Streut man nun etwas Krosses, Kernig-Aromatisches über das Essen, so überkommt uns eine Lust am Knacken, Crunchen und Malmen. Dann mögen wir wieder Biss zeigen und unser Essen mit Hand und Mund erobern. Für solche Toppings eignen sich wunderbar getoastete Ölsaaten wie Sesam, Sonnenblumen, Kürbiskerne und natürlich Gewürzsamen wie Anis, Kümmel, Fenchel, Koriander.
Mit dieser »Kaulust« und dem Schmecken kommt dann auch wieder das Sichöffnen in den »verschlossenen Bauch«. Mit den Gewürzen beginnen dann auch die Verdauungssäfte zu fließen. Der Genuss beim Essen wird so zum einladenden »Bitte!« für die Verdauung.
Brillat-Savarin (1755 – 1826)
An dieser Stelle kann ich kaum vorbei an Jean Anthelme Brillat-Savarin. Er sinnierte in seinem Buch La Physiologie du goût über die Lust, wenn Menschen sich hungrig an eine liebevoll gedeckte Tafel setzen. »Ihre Haut wird rosig, …, ihre Augen leuchten, der Körper wird wärmer. Auf dem Höhepunkt der erwartungsvollen Lust schließen sie die Augen und umschließen mit einem Seufzer der Wonne den ersten Bissen. Man muß wohl sagen, dass Menschen das Essen so lieben, wie sie sich untereinander lieben.« Essen und Verdauen hat in der Tat viel mit Erobern und Sichanvertrauen zu tun.
Was meint denn nun »toasten«?
In unserem Buch erklären wir das Toasten der Saaten unter Kleine Küchengeheimnisse für mehr Bekömmlichkeit. »In unserer Küche werden Saaten oft in der Pfanne ohne Fett durcherhitzt. Dabei werden sie ständig umgerührt oder geschwenkt, sollen heiß werden, aber – anders als beim Rösten – nicht bräunen. Das nennen wir toasten.« (Bernhard Bühr, Eva-Maria Engl – Ernährung für Hochsensible, Gräfe und Unzer 2019) Manches toasten wir auch im Backofen.
Der Wert dieser Küchentechnik ist dreierlei:
- Durch das Toasten werden besonders in den Randschichten höhere Temperaturen erreicht als beim Kochen mit Wasser. Gerade dort konzentrieren die Pflanzen auch einige Stoffe, die bei Darmempfindlichen Beschwerden verursachen. Durch die höheren Temperaturen werden Stoffe wie Saponine und Phytin besser reduziert als durch Kochen.
- Die Randschichten der Samen verkleistern beim Toasten und bleiben so beim Ausquellen körniger und platzen weniger. Auf ebendiese Weise können wir auch mit Buchweizen, Hirse, Amaranth usw. körnige Beilagen erzielen. Diesen Effekt nutzt man übrigens ganz klassisch in der Zubereitung von Risotto. Risottoreis wird allerdings traditionell mit etwas Öl erhitzt, weil er in der Pfanne sonst fast unvermeidlich bräunt.
- Das Toasten intensiviert dabei auch den Geschmack, macht ihn nussiger und herzhafter. Bei Gerichten, bei denen dieser Geschmack nicht erwünscht ist, blanchieren wir die Saaten stattdessen.
Eine Leserin fragt nach: »Sollten auch geschälte Körner wie Hirse und Buchweizen getoastet werden?«
Nun, bei Hirse und Buchweizen wird lediglich der fest anliegende Spelz entfernt, nicht aber die Samenhaut. Der Zustand entspricht also dem von Naturreis. Ein Schälen wie bei weißem Reis findet hier nicht statt. Gerade in der Samenhaut aber sind die abwehrenden Stoffe des Samens konzentriert. Damit empfiehlt sich auch für Hirse und Buchweizen als körnige Beilage das Toasten.
Soll ich Getreide vor dem Mahlen toasten?
Durch das Toasten verlieren Zerealien und Pseudozerealien ihre Backeigenschaften. Wer schon mal versehentlich Kasha statt Buchweizen zum Backen verwendet hat, dem ist der Effekt vertraut. Es entsteht ein speckiges, brökeliges Gebäck; ein »Mehlpap« wie man das in Bayern nennt. Das Backen hat zudem einen vergleichbaren Effekt wie das Toasten. Wir backen also stets mit Mehl von unerhitztem Getreide bzw. Pseudozerealien zum Backen.